© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/11 22. April 2011

Kürzungen bei Skandalsendern
USA: Mit ihrer neuen Unterhaus-Mehrheit legen die Republikaner die Axt an das National Public Radio
Leon Aquila

In den USA tobt ein Streit um das größte öffentliche Rundfunknetzwerk „National Public Radio“ (NPR), zu dem etwa 800 Stationen gehören. Vielen Republikanern ist das Syndikat nichtkommerzieller Radiosender schon lange ein Dorn im Auge. Die Demokraten wollen es verteidigen, weil sie es für ein unverzichtbares Gegengewicht zu den konservativ dominierten kommerziellen Radiosendern halten.

Inhaltlich ist NPR die dem deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk nächstliegende Entsprechung. Wie die in der ARD zusammengefaßten Radiosender haben NPR-Sender den Anspruch, ausgewogene Berichterstattung und kulturelle Grundversorgung zu liefern. Das Netzwerk hat mit dieser Strategie durchaus Erfolg: Ihre werbefreie und ausführliche Kernnachrichtensendung „Morning Edition“ erreichte 2009 mit 7,6 Millionen Zuhörern täglich eine Einschaltquote, die um 60 Prozent höher war als die von „Good Morning America“ des Fernsehsenders ABC und um ein Drittel höher als die der „Today“-Show auf NBC.

Finanziell und strukturell jedoch ist NPR nicht mit deutschen Sendeanstalten zu vergleichen. Rundfunkgebühren gibt es in den USA nicht. Finanziert wird das Konsortium durch Spenden, Sponsoren und durch Subventionierung angeschlossener lokaler Mitgliedsanstalten, die dem NPR Sendungen zur eigenen Verwendung abkaufen. Werbung findet nicht im traditionellen Sinne statt, sondern lediglich in Form von kurzen Statements größerer Spender. Weder Einzelprodukte noch Handlungsaufforderungen dürfen darin vorkommen.

Es sind die Subventionen, auf die es die Republikaner abgesehen haben. Verteidiger von NPR verweisen auf die große Hörerschaft, die idelogisch ungefähr gleichmäßig in „konservative, linke und unabhängige“ aufgeteilt sei, wie Mary Kate Cary aufzählt, eine ehemalige Redenschreiberin für Präsident George Bush sen. „Millionen von Konservativen entscheiden sich für NPR, obwohl es mächtige konservative Wettbewerber im Radio gibt“, argumentiert auch Steve Inskeep, Co-Moderator von „Morning Edition“. Ökonom Donald J. Boudreaux hält im Wall Street Journal dagegen: Wenn NPR eine erfolgreiche Formel für die Erringung großer Marktanteile gefunden hat, benötige der Sender keine Subventionen mehr, schrieb der Betreiber des Blogs „Café Hayek“.

Die Gelegenheit ist günstig für die Republikaner. NPR hat sich angreifbar gemacht. Im Juli 2010 wünschte sich eine Mitarbeiterin einer Produktionsfirma, die NPR-Sender beliefert, dem ungekrönten König des amerikanischen Talkradios, dem Konservativen Rush Limbaugh, öffentlich den Tod. „Ich wußte gar nicht, daß so viel Haß in mir ist“, schrieb sie in einer Rundmail. Und weiter: Er habe den Tod jedoch verdient. Im vergangenen Oktober feuerte NPR dann ihren langjährigen freien Mitarbeiter Juan Williams, nur weil dieser in einem Interview bekundet hatte, sich „Sorgen zu machen“ und „nervös zu sein“, wenn er ein Flugzeug besteige und „Leute in muslimischer Kleidung“ sehe.

Dann, Anfang März, stellte ein konservativer Aktivist dem Sender eine Falle. James O’Keefe lockte NPR zu einem Gespräch mit zwei angeblichen Vertretern einer muslimischen Bruderschaft, die vorgaben, NPR fünf Millionen Dollar spenden zu wollen. Im mit versteckter Kamera aufgenommenen Gespräch bekundete der für Geldeinwerbung zuständige NPR-Vizepräsident Ronald Schiller, daß die Republikaner von einer „radikalen Gruppe“ gekapert worden seien. Damit meinte er die Tea-Party-Bewegung, die „islamophob“, „rassistisch“ sei. Für diese und andere Äußerungen mußte Schiller gehen. Auch seine Chefin, die NPR-Präsidentin Vivian Schiller (nicht verwandt), kostete die Affäre ihr Amt.

Diese Skandale waren das Vorspiel für eine entscheidende Sitzung des Repräsentantenhauses, das eine Woche später mit 228 zu 192 Stimmen dafür votierte, den Zuschuß für NPR zu streichen. Kein Demokrat stimmte dafür, sieben Republikaner stimmten dagegen. Ändern wird sich nichts, denn die Demokratenmehrheit im Senat wird das Vorhaben abschmettern. Unabhängig davon stellen Libertäre und Konservative die Ehrlichkeit des Antrags in Frage. Denn es geht um nur 90 Millionen aus einem zusammengefaßt etwa 800 Millionen Dollar betragenden Budgets des Netzwerks. Ausgeblendet werden in der Debatte ganz andere Formen staatlicher Unterstützung. Viele angeschlossene Sender gehören zu staatlichen Colleges, werden also auch noch anderweitig vom Steuerzahler subventioniert.

Noch schwerer wiegt die Tatsache, daß bestimmte Frequenzen, nämlich 88,1 bis 91,8 Mhz, nicht für kommerzielle Nutzung freigegeben werden. Sie wurden von Washington für den Zweck nichtkommerzieller Sendungen reserviert und dem NPR-Syndikat zur Verfügung gestellt. Die versteckte Subvention besteht auch aus dem heutigen Marktwert dieser Frequenzen, die der Staat bei einer Auktion gewinnbringend verkaufen könnte. Es ist also durchaus möglich, daß der Kürzungsbeschluß im Kongreß lediglich eine Beruhigungstablette für die Tea-Party sein sollte, vielleicht sogar nur ein Placebo.

Foto: Angeordnete Funkstille: Die Republikaner wollen den öffentlichen Radiosendern die Mittel kürzen

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