© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/11 22. April 2011

Grüner Traum mit Widersprüchen
Umweltpolitik: Die Vorkämpfer der Energiewende kommen sich mitunter selbst in die Quere
Sverre Schacht

Nicht erst die jüngsten Umfragerekorde der Grünen lassen die staatlich geförderte deutsche Solarindustrie auf ein goldenes Zeitalter hoffen. Eigene jüngste Warnungen vor Subventionskürzungen sind in der Branche längst vergessen, auch bei ihrem Aushängeschild und Solarworld-Chef, dem Grünen Frank Asbeck.

Nicht nur diese Personalie wirft ein bezeichnendes Licht auf die Verflechtung der Partei mit der Industrie für erneuerbare Energien. Während die Grünen in der Atomkraft-Debatte Schwarz-Gelb bis zu deren radikalem Kurswechsel Klientelpolitik für die Atomindustrie vorwarfen, geriet die grüne Klientelpolitik oft aus dem Blick. Dabei profitieren von der mit aller Macht propagierten grünen Zukunft der Energiebranche nicht selten die eigenen Leute.

An den sonnigen Zukunftsaussichten der Branche besteht kein Zweifel. Laut einer aktuellen Studie der Pew-Umweltgruppe in Washington ist Deutschland mit über 29 Milliarden Euro Investitionen in Ökostrom im Jahr 2010 auf den weltweit zweiten Platz hinter China und noch vor den Vereinigten Staaten (24 Milliarden) vorangeeilt. Deutschland erfüllt eine globale Vorbildfunktion: Rund 5,5 Milliarden Euro Investitionen in erneuerbare Energie kündigen deutsche Firmen für dieses Jahr an, so der Bundesverband Erneuerbarer Energien (BEE). Und die Deutschen ziehen unter dem Eindruck von Fukushima offenbar mit: Der Marktführer für Ökostrom, Lichtblick, der übrigens auch den Reichstag versorgt, spricht von einer Verdreifachung täglicher Neukunden, Greenpeace Energy von einer Verachtfachung allein der Vertragsabschlüsse im Netz.

Im Vorstand von Lichtblick und anderer Anbieter sitzen einstige Greenpeace-Mitarbeiter, die nicht selten auch den Grünen angehören. Sie sind bestens vernetzt und wissen ihre Kontakte in die Berliner Politik zu nutzen. Grüne wie die einstige Bundestagsabgeordnete Michaele Hustedt sind an der Spitze der Energie-großkonzerne als Berater gefragt. Hustedt ist seit 2008 Vorsitzende des Beirats der Ökostromtochter RWE Innogy. Bereits seit 2006 moderiert sie auch das Netzwerk Bioenergie, dessen Mitglieder neben Politikern und Verbänden auch Firmen wie Lichtblick sind.

Vor diesem Hintergrund wirken die sich häufenden lokalen grünen Querschüsse um so irritierender: In Brandenburg stößt ein Ausbau alternativer Energien wie etwa Windparks an Grenzen des Leitungsnetzes. Gegen die aus diesem Grund erforderlichen leistungsfähigeren Stromnetze gehen ausgerechnet die Grünen vor. Sie unterstützen lokale Proteste und treten auf die Bremse: So springen Landespolitiker der Grünen immer wieder den vom Bau der Leitungen betroffenen Anwohnern bei. Die Konsequenz: Der nicht nur vom gutverdienenden grünen Mittelstand in Berlin gefragte Ökostrom aus Biomasse und Windkraft gelangt nicht in dem erforderlichen Maße in die Hauptstadt. In Bayern wiederum bremsen Grüne das geplante Pumpspeicherkraftwerk Rield im Landkreis Passau aus. Dabei werden solche Anlagen in Zukunft immer wichtiger, um den Strom aus Solar- und Windanlagen dauerhaft zu speichern. „Die berechtigten Bedenken von Seiten des Naturschutzes und der örtlichen Bevölkerung sind gravierend“, sagt dagegen der grüne Landtagsabgeordnete Eike Hallitzky.

Im November bekämpften die Grünen offenbar aus wirtschaftlichen Interessen ein EU-Verbot von giftigem Cadmium in Solarzellen. Ein für eine selbsternannte Umweltpartei sonderbares Unterfangen. „Ein Verbot von Cadmiumtellurid-Zellen wäre sogar kontraproduktiv“, ließ der energiepolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Hans-Josef Fell, wissen. Das Verbot bedrohte nicht deutsche, sondern amerikanische Erzeuger, doch es ging darum, im Gegenzug einem möglichen Protektionismus der Vereinigten Staaten kein Argument zu liefern. So können mit deutschen Steuergeldern aufgepeppelte Solarkonzerne ausländische Märkte erobern.

Gleichzeitig pflegen die Grünen im Bund ihr sauberes Image, verlangen mehr alternative Energie und bekämpfen Subventionskürzungen für die Solarindustrie. „Sonnenkönig“ und Grünen-Mitglied Frank Asbeck legte jetzt als Chef der Aktiengesellschaft Solarworld trotz gekappter Staatszuwendungen eine Traumbilanz vor. Der Konzern gehört zu den drei größten der Welt und machte 2010 gut 87 Millionen Euro Gewinn, über 28 Millionen mehr als 2009. Laut Bundesnetzagentur war der Zuwachs an Photovoltaikanlagen 2010 „fast doppelt so hoch wie 2009“. „Unser Absatz hat sich in den internationalen Solarmärkten stark entwickelt und vor allem im zweiten Halbjahr von unserem Kernmarkt Deutschland in andere europäische Märkte und die USA verlagert“, sagt Asbeck.

Der bekennende Fahrer eines 300-PS-Maserati beweist nicht nur Sinn für staatlich geförderte Märkte, sondern auch Zynismus. 2008 sagte er zu seiner Leidenschaft für verbrauchsstarke Autos: „Irgendwer muß doch das restliche Öl aufbrauchen, damit die Solarindustrie nach vorne kommt.“

Foto: Neue Solaranlage in Berlin: Gelegentlich kämpfen Grüne auf beiden Seiten der Front

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