© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

Blick in die Medien
Achtzig Minuten GEZwangsgequatsche
Toni Roidl

Großer Jubel beim ZDF: In der 90. Minute haben die Mainzer die Mannschaft von Sat1 ausgetrickst und den Siegtreffer erzielt! Das Zweite hat die Champions League gewonnen! La Ola bei den Mainzern; Zerknirschung in der Kabine der Münchner.

Für 54 Millionen Euro Gebührengelder pro Jahr hat das ZDF die Übertragungsrechte der Königsklasse des Euro-Fußballs dem bisherigen Rechteinhaber Sat1 weggeschnappt. Drei Jahre lang darf das ZDF nun ab 2012 pro Saison 18 Begegnungen live übertragen. Bei den Zuschauern steht die Champions League hoch im Kurs, der Marktanteil liegt fast immer über 20 Prozent. Beim Finale schnellt er auch über 40 Prozent, das sind rund zwölf Millionen Zuschauer.

Leider wurden im Trefferjubel ein paar nicht unerhebliche Probleme übersehen. Am Ende könnte sich der Sieg sogar als Eigentor erweisen. Denn ab 2013 gilt der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag. Der schreibt ein Sponsoringverbot für die Öffentlich-Rechtlichen vor. Ausnahmen gelten nur für Welt- und Europameisterschaften und sonstige wichtige Endspiele. Nicht aber für die Qualifikationsspiele, oder Gruppenspiele der Champions League. Und gerade dort wird gesponsert, was das Zeug hält: Die Begegnungen werden Ihnen präsentiert von Ford, Mastercard, Playstation und, und, und.

Das Sponsoringverbot gilt aber erst ab 20 Uhr. Also entschied das ZDF, die Übertragung einfach früher beginnen zu lassen – gleich nach der heute-Sendung um 19 Uhr. Weil die Spiele aber deshalb nicht früher angepfiffen werden, muß der Sender die Zeit bis zum Anstoß mit Vorberichten füllen – also 80 Minuten Gelaber! Mit dem üblichen Gequassel nach Abpfiff bekommt der Zuschauer also genausoviel Beiprogramm wie Spielgeschehen. Und das für 54 Millionen Euro aus Gebührengeldern. Zuvor gab es dieselben Bilder von Sat1 kostenlos.

Das sieht das ZDF natürlich ganz anders. Von Geldverschwendung könne keine Rede sein! Schließlich habe man für das viele Geld andere Sportarten wie Boxen, den Fußball-Europacup und die Tour de France über Bord geworfen. ZDF-Intendant Markus Schächter nannte das Geschäft sogar „einen wichtigen Baustein in der Sportstrategie des Senders“. Ob diese Strategie („Erstmal kaufen, dann irgendwie durch das Sponsoringverbot mogeln“) so erfolgreich ist, bleibt abzuwarten. Die Verlierer wollen nicht so schnell vom Platz gehen: „Wir werden alle rechtlichen Möglichkeiten prüfen“, hat der Vorstand der Prosieben-Sat1-Gruppe angekündigt. Auch RTL grätscht den Mainzern in die Beine und kritisiert, „wie das ZDF in Zeiten, in denen die Gesellschaft eine kritische Auseinandersetzung mit dem Umgang mit Gebühren fordert, das Geld mit vollen Händen rauswirft, um etwas anzubieten, was der Zuschauer längst kostenlos hatte“.

In der Tat: Was soll das ZDF besser machen? Die Spiele werden im Fernsehen genauso aussehen, neue Kameraperspektiven wird es nicht geben. Wo ist der Zusatznutzen für unsere Gebührenmillionen? Die Kommentare der Experten werden es wohl kaum sein.

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