© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

Zeitschriftenkritik: Aus Politik und Zeitgeschichte
Schönfärber und Gesundbeter
Fabian Schmidt-Ahmad

Der Islam ist nun offiziell als ein Teil Deutschlands proklamiert worden. Höchste Zeit für die Bundeszentrale für politische Bildung, diese Richtlinie in der aktuellen Ausgabe von Aus Politik und Zeitgeschichte, einer Beilage der Zeitung Das Parlament, auszuwalzen. Neben lesenswerten Beiträgen, in denen sich Muslime selbst zu ihrer Religion äußern, hervorzuheben ist hier das Gespräch mit dem Schriftsteller Hamed Abdel-Samad, finden sich politkorrekte Auftragsarbeiten, die zumindest für unfreiwillige Komik sorgen.

Insofern gleichfalls interessant der verschwurbelte Essay des Islamwissenschaftlers Stefan Weidner, der hier irgendwie in Sachen Islamkritik unterwegs ist, mehrfach den Faden verliert und sich zu albernen Aussagen versteigt. Kulturkritiker seien zwangsläufig Teil der kritisierten Kultur (wieso?), während nichtmuslimische Islamkritiker den Islam von außen kritisieren. Deren Kritik sei darum als eine Art Wohlfühlprogramm zu werten, in dem eigene Überlegenheitsgefühle generiert werden: „Halten wir fest: Nichtmuslimische Islamkritik kostet den Kritisierenden nichts und tut ihm nicht weh.“ Halten wir also fest, daß wohl demnach Weidner der Meinung ist, daß das Leben von Theo van Gogh nichts wert und dessen Ermordung auch nicht schmerzhaft war, denn dieses hat der Nichtmuslim nun einmal aufgrund seiner Islamkritik verloren. Könnte es sein, daß Weidner selbst ein Wohlfühlprogramm zur Sicherung von Überlegenheitsgefühlen verfolgt, welches ihn nichts kostet? Vor allem ein Nichts an Nachdenken?

Der Jurist Mathias Rohe gilt in Deutschland als Experte für islamisches Recht. Als solcher verkündet er beständig die Vereinbarkeit der islamischen Rechtsordnung mit dem Grundgesetz (JF 4/11). So auch hier: „Der Islam steht nicht im strukturellen Gegensatz zum säkularen demokratischen Rechtsstaat.“ Eigenartig ist nur, daß die Geschichte kein einziges Beispiel für diese angebliche Koexistenz vorweisen kann. Experte für Gesundbeten wäre wohl treffender.

Besonders unterhaltsam ist der Beitrag des Mittelalter-Historikers Michael Borgolte unter dem programmatischen Titel: „Der Islam als Geburtshelfer Europas“. Hier werden Thesen vertreten, die das Weltbild des Lesers erschüttern könnten, würde er sie ernst nehmen. Warum kam es im Mittelalter zu keiner „kulturellen oder gar ethnischen Verflechtung“ von Moslems und Europäern? Ganz einfach, es war den ersteren – neben „religiösen Vorbehalten“ – zu kalt bei uns. Nicht vielleicht etwa, weil die Europäer etwas gegen diese „Verflechtung“ hatten? Ach was, die Schlacht von Tours und Poitiers 732 sei nur ein „Mythos“. Na dann ist ja alles in Ordnung. Dank des Klimawandels dürfte nun der „kulturellen oder gar ethnischen Verflechtung“ nichts mehr im Wege stehen.

Diese und ähnliche Aussagen lassen beim Leser öfter die Frage aufkommen, ob die Bundeszentrale für politische Bildung ihren Erziehungsauftrag nichts zunächst einmal auf ihre eigenen Autoren beschränken sollte. Diese könnten davon nur profitieren.

Kontakt: Bundeszentrale für politische Bildung, Adenauerallee 86, 53113 Bonn www.bpb.de

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