© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

„Wir wurden von dem Haß überrollt“
Linksextremismus II: Mit Drohungen verhindert die Antifa in Niedersachen eine Veranstaltung der Jungen Union
Hinrich Rohbohm

Sebastian Fischer kann es noch immer nicht fassen. „Mit einer solchen Wucht an Reaktion  hatten wir nicht gerechnet“, sagt er. Der 23 Jahre alte Pressesprecher des Kreisverbandes Verden der Jungen Union sitzt gemeinsam mit seiner Freundin Nathalie Weiß (18) auf der Couch seiner elterlichen Wohnung in Achim und läßt die Ereignisse der vergangenen Tage noch einmal gedanklich an sich vorbeiziehen.

Eigentlich hatten sie mit ihrer geplanten Veranstaltung zum Thema „Linksextremismus: die unterschätzte Gefahr“ über die Bedrohung der Demokratie informieren wollen. Doch der für den vergangenen Dienstag in der niedersächsischen Kleinstadt Verden an der Aller angesetzte Termin platzte, die JU sagte den Vortrag des Ministerialrats bei der Niedersächsischen Extremismus-Informationsstelle, Stephan Walter, ab. Der Grund: Massive Drohungen und Anfeindungen  in linksextremen Internetblogs.

 „Die Polizei hatte den nötigen Schutz zwar zugesichert. Aber wenn etwas zu Bruch gegangen wäre, hätten wir als JU dafür aufkommen müssen“, meint Fischer, der unumwunden zugibt: „Die Veranstaltung war auch ein Akt der Provokation.“ Nicht zuletzt deshalb, weil sie ausgerechnet  im Verdener Jugendzentrum (JUZ) „Dampfmühle“ stattfinden sollte. Das JUZ war einst als Hochburg sogenannter „Antifaschisten“ verschrien, ehe der Verdener Stadtrat auf Druck der CDU den demokratiefeindlichen Gruppen den Stuhl vor die Tür setzte. Andererseits sei der Ort aber auch ideal, um mit anderen Jugendlichen ins Gespräch zu kommen, sagt Fischer.

Die JU hatte mächtig die Werbetrommel gerührt. „Wir hatten alle politischen Jugendorganisationen eingeladen“, erzählt Nathalie Weiß, ebenfalls Mitglied des JU-Kreisvorstandes Verden. Inklusive der Grünen Jugend und dem Linkspartei-Nachwuchs „solid“, bei denen sich die Freude über das Ansinnen der Jungunionisten in Grenzen gehalten haben dürfte. Ein Informationsabend der JU in der „Dampfmühle“. Und das auch noch zum Thema Linksextremismus. Nicht nur die Antifa dürfte vor Wut geschäumt haben.

Als der CDU-Nachwuchs dann auch noch per Twitter und Facebook für die Veranstaltung warb und sich die Einladung an den Schulen wie ein Lauffeuer verbreitete, schrillten bei den Linksextremisten offenbar die Alarmglocken. Schließlich beabsichtigte der geladene Referent über die Verbindungen von Linkspartei und „solid“ zu linken Verfassungsfeinden zu berichten und darüber hinaus einen Überblick über die Historie des Kommunismus zu geben.

Auf einschlägig bekannten Internetseiten riefen Linksextremisten dazu auf, der Veranstaltung einen Besuch abzustatten und „dem Verfassungsschutz-Gesülze Kontra zu geben“. „Schmeißt die da raus“, ist etwa auf dem Internetblog „endofroad“ zu lesen, auf dem die Jungunionisten unter anderem als „verachtenswerter Haufen aus reaktionären Unsympathen mit Affinitäten für platten Rassismus und einem notorischen Haß auf jegliche progressiven Gedanken, sei es nun Feminismus oder Antifaschismus“, bezeichnet werden.

„Deshalb rufen wir als linke Aktive dazu auf, an der Veranstaltung teilzunehmen und dem Ganzen eine ...“ beginnt ein Satz auf den Internetseiten der antifaschistischen Punkrock-Zeitschrift Plastic Bomb. Wie der Satz enden sollte, bleibt Spekulation. „Hier war der Text leider zu Ende“,  merkt der Administrator der Seiten nur ironisch an. „Willkommen im größten europäischen Vergnügungspark für Autonome, HaßbrennerInnen, ReiseChaotInnen und alle, die irgendwie mal ein Baustellenschild durch eine SUV Frontscheibe knallen wollen“, heißt es an anderer Stelle.

Innerhalb von 24 Stunden hatte sich eine massive Bedrohungslage aufgebaut, erzählt Fischer. Auch die Antifa aus Bremen seien auf die Veranstaltung aufmerksam geworden, Zugverbindungen für anreisende Extremisten ins Netz gestellt worden. Der JU wurde die Sache schließlich zu heikel. Auf Anraten der Achimer CDU sagte sie die Veranstaltung ab.

„Wir hätten das durchziehen sollen“, meint hingegen Nathalie Weiß. Schließlich würden sich extremistische Gruppen durch die Absage in ihrem Wirken nur noch bestärkt fühlen. „Wir wurden von dieser Welle des Hasses einfach überrollt“, gesteht sich auch Sebastian Fischer im nachhinein selbstkritisch ein. Der Groß- und Außenhandelskaufmann will jedoch nicht aufgeben. „Der JU-Kreisverband wird sich weiter mit Links- und Rechtsextremismus beschäftigen“, sagt er. So sei eine Initiative zum Verbot kommunistischer Symbole bereits in Planung.

Übrigens: Die Bremer Antifa trifft sich regelmäßig in einem „Café Karoshi“. Adresse des „Cafés“: Frieslandstraße 124 in Bremen. Unter dieser Adresse ist das vom Bremer Senat unterstützte Jugendzentrum „Die Friese“ beheimatet.

Foto: Fischer und Weiß mit der Veranstaltungseinladung

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