© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/11 15. April 2011

Vincent Gallo. Der Regisseur dreht einfühlsame Filme, gibt privat aber gern den Rowdy
Hollywoods rechter Rüpel
Harald Harzheim

Ein US-Staatsfeind, ein gefangener Taliban, flüchtet in schneebedeckte Wälder: Der Kampf beginnt, gehetzt von Verfolgern, ausgeliefert der grausamen Natur. Als der Antiheld in „Essential Killing“– der jetzt auch bei uns angelaufen ist – auf dem Filmfest in Venedig 2010 das Licht der Leinwand erblickte, galt die Aufmerksamkeit mehr Hauptdarsteller Vincent Gallo als dem Film. Die Rolle des Außenseiters, des Staatsfeindes, paßte allzu gut zum Image des Provokateurs und Multitalents als Schauspieler, Regisseur, Maler und Musiker, der nur zu gern den Menschenfeind gibt und am 11. April seinen fünfzigsten Geburtstag feierte.

Ursprünglich aus dem Underground-Zirkel um Andy Warhol und Jean Michael Basquiat entsprungen, schlug sich Gallo zunächst als Gittarist und TV-Darsteller durch. In seinem hochgelobten, „bitterbösen“ (Stern) Regiedebüt „Buffalo 66“ (1998), gab er den Ex-Knacki Billy wie ein wildes, geprügeltes Tier, der zwar dem Knast, nicht jedoch seinem inneren Gefängnis entkommen kann. Daß die Egomanie nicht nur gespielt war, offenbarte seine Wut, als der Erstling auf dem Sundance-Filmfestival zwar bewundert, aber nicht preisgekrönt wurde: „Ich will einen Film machen mit einer behinderten, schwarzen jüdischen Lesbe als Protagonistin, damit ich einen Preis in Sundance gewinnen kann!“, fluchte Gallo und zementierte so seinen Ruf. Einem anderen Kritiker wünschte er öffentlich Krebs. Als dieser tatsächlich erkrankte, zeigte sich Gallo bekrönt mit schwarzem Lorbeer.

Egomanisch auch sein Angebot, das eigene Sperma für eine Million Dollar zu verkaufen: Schließlich sei er extrem schön, klug und gesund – Gallo-Gene braucht das Land. Allerdings seien Schwarze vom Erwerb ausgeschlossen, während blonde und blauäugige Mädchen Preisnachlaß erhielten – vor allem, wenn deren Stammbaum Angehörige der deutschen Wehrmacht aufweisen könne. Aber auch jüdische Abstammung sei willkomen, denn das, so ätzte Gallo, erhöhe schließlich die Chance des so gezeugten Sprößlings, später mal einen Oscar zu gewinnen.

Kein Wunder, daß der bekennende Nixon- und Reagan-Fan sich mit solchen Sprüchen im liberalen Hollywood sowie im linken Underground zum verruchten Krawallero macht. Daß Gallo dabei aber lediglich „Punk“ produziert, rechtsextreme Dämonenmaskerade aufführt, zeigen seine Filme, die Gegenteiliges artikulieren: Die spielen im „White Trash“ (der weißen Unterschicht), zeigen Familien als brutale Brutstätten von Neurosen. Nur ramponierte, drogenabhängige Außenseiter genießen sozialromantisches oder fast schon urchristliches Mitgefühl des Regisseurs. Gallos Provokationssucht bis über die Schmerzgrenze, die an Schriftsteller wie Eduard Limonow oder Léon Bloy erinnert, läßt deutlichen Narzißmus erkennen. Vielleicht wird er deshalb nicht aus Hollywood verstoßen, sondern mit Grusel als Freak bestaunt.

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