© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/11 08. April 2011

Totaler Krieg des Hasses
Kriminalisierung des Feindes und Hunderttausende Zivilopfer: Der amerikanische Bürgerkrieg hatte bereits den Charakter späterer Konflikte
Jan von Flocken

Der 71jährige Gentleman Edmund Ruffin aus Virginia hüllte sich in eine Flagge der Konföderation und gab sich dann selbst mit einer Schrotflinte den Tod. In seinem Abschiedsbrief vom 17. Juni 1865 hieß es, er wolle „lieber sterben, als in einem von Yankees unterjochten Land leben“. Sein „Haß gegen die verräterische, bösartige und gemeine Yankee-Rasse“ währte bis zum letzten Atemzug. Es war eben jener Edmund Ruffin, der vier Jahre zuvor, am 12. April 1861, von Morris Island aus den ersten Schuß auf die Unionsfestung Fort Sumter abgefeuert hatte. Diese Salve aus einem 20-Zentimeter-Küstenverteidigungsgeschütz gilt allgemein als Auftakt zum nordamerikanischen Bürgerkrieg.

Nachdem zunächst sieben (später dann elf) Bundesstaaten des Südens im Einklang mit der US-Verfassung seit Ende 1860 die Union verlassen hatten (JF 6/11), erklärte Präsident Abraham Lincoln diesen „Konföderierten Staaten von Amerika“ (CSA) den Krieg. Er und seine Gefolgsleute sahen in der Sezession des Südens lediglich einen rebellischen Akt, den es mit allen Mitteln zu unterdrücken galt. Gleichzeitig wurde eine Seeblockade gegen sämtliche Häfen der Konföderation verhängt, womit Lincoln sie de facto als kriegführende Macht anerkannte.

Das Bundesfort Sumter lag mitten in der Hafeneinfahrt von Charleston (South Carolina), der wichtigsten Handels- und Seeverbindung des Südens am Atlantischen Ozean. Nachdem die Sezession erfolgt war, wurde der Kommandant der Festung aufgefordert, seine Besatzung abzuziehen; er weigerte sich jedoch. Statt dessen entsandte Präsident Lincoln eine Kriegsflotte, die Fort Sumter mit Soldaten, Munition und Waffen verstärken sollte. Dem Süden blieb also nichts anderes übrig, als das Fort rechtzeitig vor Eintreffen dieser Flotte zu stürmen. Der nur wenige Minuten dauernden Beschießung fiel übrigens kein einziger Kombattant zum Opfer.

Die Bundesregierung in Washington nahm den Kasus Fort Sumter als Vorwand für eine Kriegserklärung und rief umgehend 75.000 Freiwillige zu den Waffen. Mit ihrer Hilfe sollte der abtrünnige Süden gewaltsam wieder in die Union hineingezwungen werden. Letztlich zogen aber Amateure in den Krieg, denn weder die Milizionäre beider Seiten noch die kaum 16.000 Mann umfassende Berufsarmee der USA zeigten sich auf einen derartigen Konflikt vorbereitet.

Die Staaten des Südens waren materiell-technisch und von ihrer Bevölkerungszahl her dermaßen unterlegen, daß kaum jemand den CSA mehr als ein paar Wochen der Existenz zubilligen mochte. Doch das Manko an Soldaten, Eisenbahnen und Fabriken machten die vermeintlichen Rebellen durch eine individuelle Komponente wett. Die meisten Mitglieder des Offizierskorps von US-Army und -Navy schlossen sich der Sezession an.

Der Süden besaß überdies einen größeren Prozentsatz an Absolventen höherer Schulen als die Nordstaaten oder die meisten europäischen Länder jener Zeit. Unter Führung ausgezeichneter Generale wie Robert E. Lee oder Thomas „Stonewall“ Jackson, ausgestattet mit einer geradezu enthusiastischen Kampfmoral, fügten die Heere des Südens ihren Widersachern zwei Jahre lang schwerste Verluste zu. Der Ausgang des Krieges stand noch Mitte 1863 auf Messers Schneide. Er wurde von beiden Seiten mit zunehmender Erbitterung geführt. Es kam nicht mehr, wie noch 1861/62, zum Austausch von Gefangenen. Vielmehr brachte man sie in Lagern unter, deren erbärmliche Ausstattung nebst Hungerrationen Tausende das Leben kostete. Die Namen Rock Island (Illinois/Norden) und Andersonville (Georgia/Süden) besaßen in dieser Hinsicht einen fürchterlichen Klang.

Gegen die zähe und geschickte Verteidigung des Gegners setzten die Yankees schließlich ab 1864 auf eine Strategie der Vernichtung, welche zahlreiche Schrecken der totalen Kriegführung des 20. Jahrhunderts vorwegnahm. Während seines „Marsches zum Meer“ quer durch Georgia und South Carolina befahl US-General William T. Sherman seinen 60.000 Soldaten: „Richtet so viel Schaden an, wie ihr nur könnt.“ Die Männer vernichteten daraufhin Felder, Ernten, Häuser und Höfe. Sie hinterließen eine 100 Kilometer breite und fast 500 Kilometer lange Zone totaler Verwüstung. „Diesen Menschen wird nichts bleiben außer ihren Augen, um zu weinen“, verkündete Sherman. 50.000 ermordeten Zivilisten des Südens blieb nicht einmal das.

South Carolinas Hauptstadt Columbia wurde in einer Orgie der Zerstörung dem Erdboden gleichgemacht. Ebenso erging es Atlanta (Georgia), dessen Bevölkerung man ins Umland zwangsevakuierte. Bei ihrer Rückkehr einige Monate später fand sie nur noch zehn Prozent aller Gebäude unversehrt vor. Im Shenandoah-Tal, dem fruchtbarsten Areal des Südens, vernichteten Truppen des US-Generals Philip Sheridan sämtliches landwirtschaftliches Gerät und schlachteten Viehherden ab. Eisenbahnschienen wurden herausgerissen, einige sogar mühsam zum Glühen gebracht und dann um Bäume oder Telegrafenmasten gewickelt.

Allgemeine Verrohung griff auf beiden Seiten um sich. So sandte die US-Regierung im März 1864 ein Mordkommando unter Oberst Ulric Dahlgren in Marsch. Dessen Männer sollten den CSA-Präsidenten Jefferson Davis ermorden und Richmond (Virginia), die Hauptstadt der Konföderation, in Brand stecken. Dieser „Dahlgren-Raid“ konnte im letzten Moment verhindert werden.

Einen Monat später eroberte der Südstaatengeneral Nathan B. Forrest das Fort Pillow (Tennessee). Nachdem sich die Besatzung ergeben hatte, wurden alle Angehörigen eines sogenannten Neger-Regiments, etwa 100 Mann, standrechtlich erschossen.

 Im eroberten New Orleans regierte General Benjamin Butler aus Massachusetts, der den Spitznamen „Beast“ (die Bestie) trug. Er ließ einen Zivilisten hinrichten, nur weil der nächtens eine USA-Flagge niedergeholt hatte. Ein anderer Beiname dieses Herrn lautete „Spoons“ (Löffel), weil Butler aus den Häusern wohlhabender Südstaatenfamilien das silberne Tafelbesteck stehlen ließ und einbehielt.

Als der Bürgerkrieg, der in Wirklichkeit ein Konflikt zweier kriegführender Staaten war, nach genau vier Jahren zu Ende ging, lag der Süden am Boden. Eine über mehr als 200 Jahre gewachsene Kultur und Lebensweise war ausgerottet. Etwa 650.000 Amerikaner hatten ihr Leben verloren – mehr als in sämtlichen auswärtigen militärischen Konflikten der USA seit 1776 zusammen.

Führende Politiker der Südstaaten, darunter Präsident Jefferson Davis, wurden als „Kriegsverbrecher“ abgeurteilt. Aus jener Ära vor 250 Jahren resultiert die unselige Tradition der Vereinigten Staaten, ihre militärischen Gegner grundsätzlich zu kriminalisieren.

Foto: Konföderierten-General Robert E. Lee, Unionssoldaten vor ihrer Kanone, Gefallene auf dem Schlachtfeld von Antitam, Unions-General William Sherman, Filmplakate und ein verkitschtes Bild des amerikanischen Bürgerkriegs von Hollywood-Produktionen: Es herrschte eine Strategie der Vernichtung, welche zahlreiche Schrecken der totalen Kriegführung des 20. Jahrhunderts vorwegnahm

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