© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/11 08. April 2011

Zeitschriftenkritik: Liberal
Markenpflege ohne Marke
Werner Olles

Um die Sache des politischen Liberalismus ist es zur Zeit in Deutschland nicht gut bestellt. Hatten bei der letzten Bundestagswahl noch zahlreiche konservativ orientierte Bürger geglaubt, hier würden Fragen der Zeit auf der Höhe der Zeit verbindlich und kompetent beantwortet, stellte sich diese Hoffnung bald als folgenschwerer Irrtum heraus. Hinzu kam die Enttäuschung über die Repräsentanten liberaler Politik, deren Substanzlosigkeit den Herausforderungen, die an sie gestellt wurden, in keiner Weise gewachsen waren.

Im Editorial der aktuellen Ausgabe von liberal, der im 58. Jahrgang erscheinenden „Vierteljahreshefte für Politik und Kultur der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit“, beschreibt der ehemalige FDP-Bundesvorsitzende und heutige Mitherausgeber des Magazins Wolfgang Gerhardt die Lage der Partei zwar korrekt als „alles andere als komfortabel“, doch fällt auch ihm außer dem leicht schwammigen Begriff „Markenpflege“ und einem „programmatischen Entwurf“ nicht viel zur dramatischen Situation seiner Partei ein. „Sie brauche „Passion, eine Breite von Fähigkeiten und ein Bewußtsein für Werte und zivilisatorische Aufgaben“, schreibt Gerhardt, und auch vor Unpopulärem dürfe man nicht zurückschrecken, „wenn nach eigener Überzeugung nur so langfristig eine notwendige Strukturveränderung erreicht werden kann“. Erforderlich sei die Herstellung einer „den Aufgaben entsprechenden öffentlichen Meinung“, um „das gesellschaftliche Klima zu prägen“.

Doch davon ist die FDP heute weiter entfernt denn je. In der Rubrik „Liberale Perspektiven“ plädieren die ehemaligen Mitglieder der FDP-Grundsatzkommisssion Werner Bruns und Markus M. Müller für einen sogenannten „Bürgersenat“. Diesen stellen sie sich als Raum „herrschaftsfreier Kommunikation“ (Jürgen Habermas) vor, in dem losgelöst von den Rationalitäten in Politik und Verbänden von einer nach dem Zufallsprinzip ausgewählten „Gemeinschaft politischer Bürger“ politische Prozesse angestoßen werden sollen. Zudem könne dies der „besorgniserregenden Politikverdrossenheit in Deutschland“ vorbeugen, bevor diese in Demokratieverdrossenheit umschlage. Auch „populistische Kurzschlüsse“ würden dadurch vermieden, während „die liberalen Tugenden, Freiheit und Verantwortung, kämpferische Toleranz und Zivilcourage“, gestärkt würden.

Der Wirtschaftshistoriker und FAZ-Redakteur Philip Plickert blickt hingegen auf den „europäischen Garten“ und geht der Frage nach, welche Form der Planung und Ordnung der europäischen Integration am zuträglichsten ist. Dabei stehen sich zwei konträre Modelle gegenüber, bemerkt der Autor: einerseits das „englische“ Modell, das sich gegen das institutionelle Europa mit seinen zentralistischen Tendenzen stellt, und in dem Integration durch spontane soziale und wirtschaftliche Interaktion von unten geschieht, und andererseits das „französische“ Modell, das die Institutionen stärken und durch zentrale Koordinierung der Wirtschaften Unterschiede einebnen will.

Kontakt: Liberal Verlag, Reinhardt-Str. 16, 10117 Berlin. Das Einzelheft kostet 12,50 Euro, das Jahresabo 43 Euro.  www.liberal.freiheit.org

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