© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/11 08. April 2011

Ein freiheitliches „Nein zur Atomkraft“
Österreich: FPÖ fordert Konsequenzen aus Reaktorkatastrophe in Fukushima / Kampf gegen slowenisch-kroatisches Pannen-Kernkraftwerk Gurkfeld
Michael Howanietz

Verkehrte Welt? FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache fordert den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie und die Stillegung aller Atomkraftwerke. Der FPÖ-Europaparlamentarier Andreas Mölzer bringt, gemeinsam mit anderen Abgeordneten, einen Antrag zur sofortigen Stillegung von Atomkraftwerken in erdbebengefährdeten Gebieten ein. Die Kommission solle zudem unverzüglich eine Studie über die von AKWs in Erdbebenregionen ausgehenden Gefahrenpotentiale erstellen. Auch ein koordiniertes Frühwarnsystem für Zwischenfälle in Kernkraftwerken sei einzurichten.

Solch Ansinnen kommt nicht von ungefähr. Skepsis gegenüber der Nuklearenergiegewinnung hat in der FPÖ lange Tradition. Vor der Volksabstimmung über das fertig gebaute, aber niemals in Betrieb gegangene AKW Zwentendorf im Jahre 1978 verfolgten aus dem politischen Spektrum einzig freiheitliche Mandatare einen klaren „Nein zur Atomkraft!“-Kurs.

Entsprechend empört reagierte die FPÖ-Fraktion im Wiener Gemeinderat in der Vorwoche, als ihr Antrag zu einem Ausstieg Österreichs aus dem Euratom-Vertrag von SPÖ, ÖVP und Grünen ebenso abgelehnt wurde wie das Verlangen auf Stillegung grenznaher AKWs.

Von diesen ist der FPÖ besonders das AKW Gurkfeld (Krško/Region Unterkrain) ein Dorn im Auge. Das je zur Hälfte vom EU-Mitglied Slowenien und dem EU-Beitrittskandidaten Kroatien betriebene Atomkraftwerk gilt als meistgefährdetes, da es in einer Erdbebenzone liegt. Wie akut die Bedrohungslage sei, zeige nicht nur die vor zwei Wochen notwendig gewordene Sofortabschaltung des ex-jugoslawischen Reaktors, sondern auch ein 2008 im Kühlkreislauf aufgetretenes Leck, das ebenfalls zu einer Abschaltung geführt habe.

Als nicht minder gefährlich erachtet Mölzer das Atommüllendlager, das im Umland von Gurkfeld betrieben wird. Schließlich liege auch dessen Standort im Erdbebengebiet, was durch ein Beben der Stärke 6,0 im Jahre 1976 hinlänglich dokumentiert sei.

Der Fraktionschef der Wiener FPÖ, Johann Gudenus, sieht die übrigen Rathausparteien deshalb „im Dienst der Atomindustrie“. Bei der ÖVP verwundere das nicht, da sie sich „in der Geiselhaft von Atomaufsichtsrat Schüssel“ befinde. Der ehemalige Bundeskanzler Wolfgang Schüssel sitzt auf einem hochdotierten RWE-Aufsichtsratssessel.

Die SPÖ indes denkt nicht daran, die vom FPÖ-Vorsitzenden Strache geforderte Verknüpfung der Stillegung des 30 Jahre alten AKW mit dem EU-Beitritt Kroatiens mitzutragen. Zwar beteuert SPÖ-Geschäftsführer Günther Kräuter, Krško sei „wirklich gefährlich und liegt in einer Erdbebenzone“.

Die SPÖ will das Thema dann aber doch nur im Zuge der Beitrittsverhandlungen „ansprechen“. Ähnlich die Grünen, deren Bundessprecherin Eva Glawischnig ihre Lieschen-wünscht-sich-was-Politik fortsetzt, indem sie meint: „Wir wollen ja, daß Krško abgeschaltet wird und Kroatien beitritt.“ Sie verdrängt damit die bitteren Erfahrungen, die Österreich mit dem gescheiterten „Melker Abkommen“ zum tschechischen AKW Temelin gemacht hatte. Für den Veto-Verzicht Österreichs wurden Zugeständnisse Tschechiens ausverhandelt, die nicht eingehalten wurden. Ein tschechischer Minister titulierte das Melker Abkommen als „Fetzen Papier“.

Die Aufforderung des Kärntner Landtages, die Bundesregierung solle mit einer Veto-Drohung gegen den EU-Beitritt Kroatiens die Schließung des AKW erzwingen, wird vor diesem Hintergrund nicht erfüllt werden können.

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