© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

Rathenows Klick zum Glück
Visitenkarte des neuen Stasi-Landesbeauftragten
Christian Dorn

Lutz Rathenow ist neuer Landesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen in Sachsen. Daß der Berliner Schriftsteller hierfür eine biographisch legendierte Vorgeschichte aufweist, ist bekannt. War er doch nach seinem in West-Berlin veröffentlichten Prosa-Debüt verhaftet worden. Immerhin hatte dieses einen vielversprechenden Titel getragen: „Mit dem Schlimmsten wurde schon gerechnet.“ Daß die Untersuchungshaft des MfS in Hohenschönhausen nur zehn Tage dauerte, verdankte er wohl auch den Protesten aus der Bundesrepublik, etwa von Günter Grass.

In seiner Renitenz lehnte der junge Autor ein Ausreiseangebot der DDR-Behörden ab und „avancierte“ in der Folge zum am stärksten überwachten Schriftsteller des Arbeiter- und Bauernstaates. Daß diese Prägung den Autor bis heute nicht losläßt, beweist auch seine neueste Prosa-Veröffentlichung „Klick zum Glück“, die verstreut erschienene sowie bisher unveröffentlichte Texte versammelt. Die Stasi-Vergangenheit wird hier auf flexible Weise thematisiert.

Das genaueste Bild liefert dabei immer noch die Überwachungskamera. Dies suggeriert zum Beispiel das fiktive „Bewerbungsschreiben. August 2009“ eines ehemaligen Stasi-Mannes, anspielend auf die Überwachung in Discount-Märkten. Die für Rathenow kennzeichnende Lakonie stellt sich im Fazit der Figur „Markus-Erich Zuverlässig“ wie folgt dar: „Jeder Mensch hat ein Recht darauf, überwacht zu werden. So nimmt man ihn ernst.“

Tatsächlich ernst genommen werden von Rathenow indes Träume, sowohl eigene wie die der Figuren. Letzteres wird in der Causa „Grell und Grass“ deutlich, die zugleich auf Kafka (Gregor Samsa) und auf Grass’ verdrängte SS-Vergangenheit anspielt. Die jüngere, eigene Vergangenheit spiegelt sich in den alptraumartigen Text-miniaturen „Drei Träume Anfang Dezember 1980“, einer Art selbstentworfenem Drehbuch angesichts der permanent drohenden Inhaftierung. Originell liest sich Rathenows Erinnerung an „Die Außentoilette“: „Einmal saß ich unten, als an meine Wohnungstür zwei Mitarbeiter der Staatssicherheit klopften, die mich zur Klärung eines Sachverhaltes ein paar Stunden mitnehmen wollten.“ Da niemand öffnete, mutierte die Außentoilette zum temporären Exil, und die Stasi zog „unverrichteter Dinge wieder ab“.

Lutz Rathenow: Klick zum Glück. Edition Muschelkalk des Wartburg Verlages, Weimar 2011, gebunden, 96 Seiten,11 Euro

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