© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

Von Mussolini in ein Abenteuer verwickelt
Vor siebzig Jahren begann mit dem Balkanfeldzug eine Blitzkrieg-Episode mit Deutschland und England als wichtigsten Akteuren
Heinz Magenheimer

Der sinnlose Angriff der Italiener auf Griechenland vom 28. Oktober 1940, der mit einem schweren militärischen Rückschlag ausging, veränderte die Lage in Europa im zweiten Kriegsjahr wesentlich, da nun mit der Errichtung einer Balkanfront zu rechnen war. Besonders die Interessen des Deutschen Reiches schienen gefährdet, da man ein Festsetzen der Briten auf dem Festland und die Bedrohung des rumänischen Erdöls unbedingt verhindern wollte.

Das Oberkommando der Wehrmacht sah sich mit einem lästigen Nebenkriegsschauplatz konfrontiert, der möglichst bald beseitigt werden sollte. Hitler war über den Alleingang Mussolinis verärgert, ließ aber einen Angriff von Bulgarien aus gegen Griechenland vorbereiten, um den Bündnispartner zu entlasten. Churchill ergriff die Gelegenheit und bot der griechischen Regierung Truppenhilfe an, die diese schließlich annahm.

Hitler und Ribbentrop hingegen waren bemüht, Jugoslawien und Bulgarien in den Dreimächtepakt vom 27. September 1940 einzubinden, um den Druck auf England zu erhöhen. Die Regierung in Belgrad unter Ministerpräsident Dragiša Cvetković sah sich aber starken Spannungen und dem Drängen Englands und der USA ausgesetzt, die das Land unbedingt gegen Deutschland in Front bringen wollten. Bulgarien hingegen, das unter sowjetischem Druck stand, trat am 1. März dem Dreimächtepakt bei. Tags darauf rückte die 12. deutsche Armee unter Generaloberst List von Rumänien aus über die Donau in Bulgarien ein, und mehrere Geschwader landeten auf Flugplätzen bei Sofia und Plovdiv. Churchill brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen zu Bulgarien ab und befahl, das in Ägypten bereitgestellte Expeditionskorps in Richtung Griechenland einzuschiffen. Am 5. März begann der Transport der Truppen nach Piräus und Volos. Dieser Schritt erlaubte es General Rommel mit seinem gerade nach Libyen zur Verstärkung der Italienier abkommandierten Afrikakorps, im April 1941 die Cyrenaika mit Ausnahme Tobruks zurückzuerobern.

Die Briten unter General Henry Wilson landeten mit 58.000 Mann in Griechenland und besetzten eine Verteidigungslinie im Norden des Landes. Nur schwache griechische Kräfte schützten die Grenze zu Jugoslawien, während man sich gegen Bulgarien auf die zur festen Verteidigungslinie mit Bunkern ausgebaute Metaxas-Stellung stützte. In Albanien hielten die Griechen unverändert ihre Front gegen zwei italienische Armeen. Als Reaktion auf den britischen Einmarsch bekräftige Hitler am 17. März den Entschluß, den Gegner aus ganz Griechenland zu vertreiben. Dies hatte zur Folge, daß man den bereits geplanten Feldzug gegen die Sowjetunion verschieben mußte, und Hitler äußerte besorgt, daß sich der geplante Krieg im Osten keinesfalls bis in den russischen Winter ziehen dürfe.

Die Regierung in Belgrad hatte sich nach langem Zögern entschlossen, dem Dreimächtepakt beizutreten, der am 25. März in Wien unterzeichnet wurde. Doch bereits in der Nacht zum 27. März gewann die Opposition in Belgrad die Oberhand. Prowestliche Offiziere unter Luftwaffengeneral Dušan Simović putschten und setzten den 17jährigen König Peter auf den Thron. Simović wurde neuer Regierungschef, und nun meinte Churchill, endlich einen Verbündeten gefunden zu haben. Es ist strittig, ob Simović, wie er vorgab, am Dreimächtepakt festhalten wollte. Jedenfalls beurteilte Hitler den Putsch als feindseligen Akt und befahl noch am selben Tag, Jugoslawien zu zerschlagen. Der Feldzug sollte möglichst rasch beendet werden, da man die Truppen für den Aufmarsch gegen die UdSSR benötigte. Noch in der Nacht zum 6. April schloß Jugoslawien einen Freundschaftsvertrag mit der Sowjetunion, ein Beweis dafür, daß auch Stalin jede Chance nutzte, um auf dem Balkan einzugreifen.

Da Ungarn die Teilnahme am Krieg verweigerte, zwang die Zielsetzung zur Improvisation. In aller Eile konnten nur 14 Divisionen aufgeboten werden. Während Nebenstöße von der Steiermark, Kärnten und Ungarn aus vorbereitet wurden, sollte die Panzergruppe 1 den Hauptangriff von Bulgarien gegen Belgrad führen. Gegenüber Griechenland konnte man nur acht Divisionen aufbieten. Ein Angriff war gegen die Metaxas-Linie vorgesehen, während ein motorisiertes Korps ins Vardar-Tal und weiter nach Süden vorstoßen sollte, um die Griechen von Norden her zu umfassen. So wurde Südjugoslawien zum Aufmarschraum gegen Griechenland. Die Luftflotte 4 unter General Alexander Löhr zog inzwischen über tausend Front- und Transportflugzeuge zusammen. In Mönichkirchen, entlang der Bahnstrecke Wien–Graz, wurde in einem Zug ein Quartier für Hitler eingerichtet, wo dieser auch zwei Wochen tätig war.

Der Krieg begann am 6. April ohne Vorwarnung mit schweren Luftangriffen auf Belgrad, an denen sich 484 Bomber beteiligten. Löhr beschränkte zwar die Angriffe auf politische und militärische Ziele, doch sie verursachten zwischen 1.500 und 3.000 zivile Opfer und wurden vom Gegner als Kriegsverbrechen angeprangert. Löhr wurde 1947 in einem jugoslawischen Schauprozeß wegen dieses Angriffs zum Tode verurteilt.

Der Angriff gegen Jugoslawien verlief mit „blitzkriegsartiger“ Schnelligkeit. Am 8. April trat die Panzergruppe 1 zum Stoß auf Nisch und Belgrad an. Trotz heftiger Gegenwehr und Schlechtwetters gewannen die Panzerspitzen bereits am 9. April Nisch und setzten ihren Vormarsch fort, während die Sturzkampfbomber örtlichen Widerstand brachen. Die gegnerische Führung zog ihre Truppen aus dem Raum Belgrad ins Landes­innere zurück, worauf die Hauptstadt am 13. April kampflos besetzt wurde.

Im Norden waren Teile der 2. Armee ohne Beendigung des Aufmarsches am 10. April in Richtung Zagreb angetreten, während der Gegner kaum mehr Widerstand leistete. Die von Südwest-ungarn angreifende Panzerdivision gewann noch am selben Tag Zagreb, wo die kroatischen Nationalisten einen unabhängigen Staat Kroatien ausriefen. Angesichts dieser Lage gab Ungarn am 11. April seine Zurückhaltung auf und besetzte das Gebiet zwischen Donau und Theiß. Die Verteidigung brach nach der Eroberung Sarajevos zusammen. General Simović trat am 14. April zurück, und sein Nachfolger unterzeichnete am 17. April die Kapitulation, während König Peter und die Regierung Simović die Flucht ergriffen und nach London ins Exil gingen. 344.000 Mann gerieten in Gefangenschaft. Das Land wurde zwischen Deutschland, Italien, Bulgarien und dem Staat Kroatien aufgeteilt.

Viel schwieriger gestaltete sich der Feldzug gegen Griechenland. Vergeblich versuchten Gebirgstruppen am 6. April, die Metaxas-Stellung zu durchbrechen. Doch die 2. Panzerdivision stieß parallel zum Vardar-Tal nach Süden vor, zersprengte gegnerische Reserven und besetzte am 9. April Saloniki. Noch am selben Tag kapitulierten die Griechen in Ostmazedonien. Inzwischen flogen die Deutschen heftige Luftangriffe, wobei eine Bomberstaffel den Hafen von Piräus schwer beschädigte.

Die Entscheidung fiel im Grenzgebiet zu Jugoslawien. Nachdem deutsche Truppen den Raum Skopje gewonnen hatten, durchbrachen sie am 12. April die Front bei Florina. Nun plante der Gegner einen weiträumigen Rückzug. Doch das britische Korps trat den Rückzug auf eigene Faust an, und die Griechen konnten die Lücke nicht mehr schließen. Deutsche Angriffsspitzen drangen weiter vor und schnitten den Griechen den Rückzug aus Albanien ab. Daraufhin kapitulierten örtliche Befehlshaber am 21. April vor den Deutschen. Die Gefangenen wurden ehrenvoll behandelt und bald darauf entlassen. Doch der beleidigte Mussolini protestierte heftig, so daß man die Kapitulation gegenüber Italien am 23. April in Saloniki wiederholen mußte.

Inzwischen waren die Deutschen den Briten auf den Fersen geblieben. Zwei Panzerdivisionen führten den Stoß bis Mittelgriechenland weiter. Während die Deutschen die Landenge von Korinth besetzten und am 27. April in Athen einrückten, versuchten die Briten nur noch, sich zu retten. Sie verloren bei der Einschiffung 14.700 Mann, wogegen die deutschen Verluste mit insgesamt 5.700 erstaunlich gering ausfielen.

Mit diesem Sieg war die Südflanke Europas gefestigt. Er konnte aber nicht entsprechend genutzt werden, da der Feldzug gegen die Sowjetunion Vorrang hatte. Deshalb mußte auch der Stoß Rommels zur Eroberung des Suezkanals auf die Zeit danach verschoben werden. Der Balkanfeldzug trug aber nicht die Schuld, daß das „Unternehmen Barbarossa“ erst am 22. Juni begann, da die Truppen schon am 10. Juni zum Angriff bereitstanden. Doch die deutsche Führung blieb in Verkennung des Zeitfaktors bei diesem Termin, und dieser Zeitverlust sollte wesentlich zum Fehlschlag des Angriffs auf Moskau beitragen, der bereits die spätere Niederlage gegen die Sowjet­union andeutete.

 

Dr. Heinz Magenheimer ist Militärhistoriker und lehrte an der Landesverteidigungsakademie Wien und an der Universität Salzburg.

Foto: Versorgung griechischer Soldaten durch britisches Expeditionscorps, Zerstörungen in Belgrad nach deutschem Luftangriff 1941, Wehrmachtssoldaten treffen mit italinischen Bersaglieris auf dem Vaganj-Berg in Bosnien (v.o.n.u.): Für das Oberkommando der Wehrmacht ein lästiger Nebenkriegsschauplatz

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