© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

Gema verlangt Geld von Kindergärten
Die Behörde zum Eintreiben von Künstlertantiemen kassiert jetzt die Kleinsten ab – eine (Real-)Satire
Felix Kern

Vor dem Gesetz sind alle gleich – selbst Kinder. Die Forderung der Gema, auch Kindergärten sollten gefälligst Gebühren für öffentlich abgesungenes, abgespieltes oder auch nur folgenlos fotokopiertes Liedgut zahlen, ist total berechtigt. Kinder davon auszuschließen wäre ja geradezu ein Verstoß gegen das Antidiskriminierungsgesetz.

Niemand darf wegen seines Alters benachteiligt, äh bevorzugt werden. Zahlen soll jeder, der urheberrechtlich gesicherte musikalische Werke aufführt. Sogar der DFB, wenn bei Länderspielen die deutsche Nationalhymne ertönt. Selbst wenn darin ungeübte Schlagersternchen falsche Texte dahernuscheln. Textschwäche schützt nicht vor der Pflicht zur Zahlung.

Wer nun meint, für Kinderlieder gäbe es keine feststellbaren Urheber oder deren Rechte seien meistens erloschen, der irrt! In der Regel gibt es sogar mehr als einen. Allein „Hänschen klein ging allein“ ist mit 26 Komponisten bei der Gema gelistet. Für jede neue Fassung muß ein Vorgang angelegt werden. Das schafft Arbeit.

Ein Problem ist allerdings die Erfassung, wann wo welches Lied gespielt wurde. Spekulation allein reicht nicht aus. Die Gema verlangt aktuelle und genaue Listen der vorgetragenen Musikwerke. Der vorliegende Plan einer pauschalen Abgabe ist schärfstens abzulehnen. Wo bleibt da die Gerechtigkeit?

Schließlich haben die Nachkommen eines Kinderliederkomponisten die Leistung vollbracht, als Nachfahren des großen Komponisten zu überleben. Pauschale Zahlungen werden nur an lebende Künstler vergeudet, egal ob sie goldene Schallplatten einheimsen oder als Hungerkünstler von Gelegenheitsjoints leben.

Zurück zum Problem der Auflistung. Das wäre doch eine geeignete Tätigkeit für Kindergartenpraktikantinnen, die notfalls mangelndes Wissen um alte Kinderlieder durch Kenntnis der aktuellen Hitparade ausgleichen können. Mal ehrlich, auch Kindergartenkinder trällern doch lieber den Eurovisionsong „Taken by a Stranger“ von Lena Meyer-Landrut als olle Kamellen wie „Wer will fleißige Handwerker seh’n?“ mit vollkommen unzeitgemäßen oder unbeliebten Berufsbeschreibungen. Schließlich soll jedes Kind studieren.

Individuelle Liederlisten können zudem mit viel Liebe zusammengestellt werden. Wenn beispielsweise Praktikantin Petra an ihren Freund Kevin von der (völlig zu Unrecht) kaum bekannten Nachwuchsgruppe „Crash Boing“ denkt, deren letzte Eigenkomposition „Smash Your Mother with the Monster Lego Stone“ die Kinder doch so goldig den ganzen Tag trällern. Also, zehnmal in die Gema-Liste und dies dem Angeschmachteten beim nächsten Auftritt der „Crash Boing“ freudig berichtet. Könnte helfen.

Finanzpolitisch ist der Kindergartenbeitrag zur Gema natürlich total schwachsinnig. Die Erhebung kostet Geld, Personal, Verwaltungsaufwand. Der schmale Rest wird an Künstler verteilt, die überwiegend keine Steuern daraus entrichten, weil sie ohnedies kaum ein Einkommen haben oder so viel, daß ihr Wohnsitz außerhalb Deutschlands liegt. Außerdem landen die Steuermehreinnahmen nur zu einem winzigen Teil bei den Kommunen, die den Kindergarten unterhalten. Die aber werden wohl hauptsächlich die Gema-Gebühren berappen müssen. Bei den Eltern der Kindergartenkinder wird so ein Gebührenbegehren kaum Zahlungsbereitschaft finden. Eher lassen sie das Singen im Kindergarten ganz verbieten. Immerhin wäre mit der geplanten Neuregelung eine neue Beschäftigung für entsprechend umgeschulte GEZ-Ermittlungsbeamte geschaffen, die demnächst ihre nutzlos gewordenen Peilmikrophone auf Kindergärten ausrichten können.

 

36.000 Kindergärten sollen zahlen

Die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte – kurz: Gema – ist nicht nur ein Wortungetüm, sondern auch ein bürokratisches Monster. Sie sammelt Geld für öffentlich gespielte Musikstücke und leitet dies als Tantiemen an die Künstler weiter. Ihrem Selbstverständnis nach schützt die Gema damit das geistige Eigentum von Musikern. Kritiker hingegen bemängeln den Zwangscharakter dieses „Geschäftsmodells“ und prangern die völlige Intransparenz an. Die Gema expandiert ständig weiter.

Neuestes „Glanzstück“ war jetzt ein Brief an alle 36.000 Kindergärten in Deutschland. Sie sollen ab sofort zahlen – und zwar für Fotokopien von Noten, die für das Singen von Kinderliedern angefertigt werden. Es geht um wenige Kopien, aber wenn etwas zu holen ist, dann läßt die Gema nicht lange auf sich warten. Kindergärtnerinnen müssen jetzt umständliche Formulare ausfüllen und Fotokopien einzeln erfassen. Die Gema will etwa zehn Cent pro Kopie kassieren. Diese fragwürdige Geschäftspraxis hat unseren Autor zu dieser Satire veranlaßt.

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