© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

Meldungen

Widersprüchlicher Begriff „konservativ“

Ruppichteroth. Der Begriff „konservativ“ ist für den FAZ-Feuilletonredakteur Lorenz Jäger ein widersprüchlicher. Darunter falle alles mögliche, sagte Jäger in einem Interview der der traditionalistischen Priesterbruderschaft St. Pius X. nahestehenden Kirchlichen Umschau (März 2011), von einem „radikalen Industrialismus im Sinne einer möglichst starken Abwehr aller Umweltschutzauflagen“ über „eine reine Amerikahörigkeit in der Außenpolitik“ bis hin zu „neokonservativen Tendenzen“, denen es darum geht, „dem Kapitalismus zu immer besserem Laufen zu verhelfen“. Der genuine Konservativismus sei hingegen verdunstet. Statt dessen habe sich „das linke Denken in einer Weise ausgebreitet, daß es fast gar nicht mehr als Ideologie faßbar ist, sondern das Geltende zu sein scheint.“ Seine Öffnung für den Katholizismus erklärt der aus einem protestantischen Elternhaus stammende Jäger, der seine politische Beheimatung zunächst in der radikalen 68er-Linken fand, mit der „großen Bewunderung“ für das Katholische, das er in seiner Jugend aus der Distanz erlebte, und mit der Ablehnung der „Banalisierung der Liturgie“. (W.O.)

 

Biographien und das Persönliche der Historie

BERLIN. Was macht die Faszination von Biographien aus? Um das zu ergründen, fanden sich Heimo Schwilk und Uwe Wolff mit Rüdiger Safranski, einem Altmeister des Genres, vor dem Forum der Leserschaft der Welt am Sonntag (13. März) zusammen. Doch abgesehen von lehrreichen Einblicken in die Werkstatt der drei Biographen sowie Auskünften über ihre teilweise „volksaufklärerischen“ Motive, gab es zur Ausgangsfrage nur vorsichtige Annäherungen an eine Antwort. Im Zentrum der Anziehungskraft des Biographischen scheint die Kunst der Verdichtung zu stehen. Während das „richtige Leben“ zerfließt, verschafft ihm ein gedrucktes Denkmal nicht nur Dauer, sondern auch einen „kohärenten Lebenssinn“ (Safranski). Zudem sei die Funktion als „Vorbild“ und orientierende „Persönlichkeit“ in einer entpersönlichten Massengesellschaft nicht zu unterschätzen. Der Biograph arbeite der modernen „Tendenz zum Anonymen“ entgegen, meint auch Rüdiger Görner in seinem Essay über Stefan Zweig (1881–1942), dem neben Emil Ludwig von Golo Mann so geschmähten literarischen „Buchmacher und Großgeldmacher“ (Sinn und Form, 1/2011). Ludwig und Zweig waren in der Zwischenkriegszeit höchst erfolgreiche Verfasser von Biographien. Zweig, so glaubt Görner, habe seine phantastischen Auflagen primär dem Rezept zu verdanken, daß er „im Zeitalter der Ideologien unbeirrt auf die Personalisierung von Geschichte, auf die individuelle Verkörperung von Zeit und Ideen, auf lebendige Formen des Geistigen“ gesetzt habe. (wm)

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