© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/11 01. April 2011

Frankreich wird zum großen Rivalen
Italien: Regierung will heimische Firmen vor ausländischer Übernahme schützen / Paris und Washington greifen ebenfalls regulierend ein
Paola Bernardi

Die Stimmung zwischen Frankreich und Italien ist schlecht. Die Spannungen zwischen den beiden lateinischen Cousins haben sich speziell in jüngster Zeit verschärft. Grund dafür ist nicht nur die Pariser Kanonenbootpolitik gegen Libyen. Durch das überhastete Eingreifen der Franzosen wurde Silvio Berlusconi gezwungen, auch gegen den bis vor kurzem noch hofierten Gaddafi in den Krieg zu ziehen, damit Italien am Schluß nicht mit leeren Händen dasteht. Doch vor allem haben die jüngsten Übernahmeinteressen französischer Unternehmen Rom und den Finanzplatz Mailand alarmiert.

Zu offensichtlich ist die Begierde der Franzosen, sich nicht nur die Prestigemarken der italienischen Mode, sondern generell bedeutende italienische Unternehmen einzuverleiben. Ein Aufschrei im Lande erfolgte, als kürzlich das traditionsreiche römische Schmuck- und Uhrenunternehmen Bulgari an den französischen Luxusgüterkonzern LVMH überwechselte. Da konnte Paolo Bulgari, der Erbe, noch so sehr beteuern, daß dieser Verkauf seiner Familie sehr schwergefallen sei, daß man jahrelang versucht hätte, eine italienische Lösung zu finden. Egal, für Italien bleibt dieser Verkauf eine nationale Schmach.

Bulgari ist nicht das erste italienische Unternehmen, das ins Ausland verkauft wurde. Der französische Luxus-Konzern LVMH hatte bereits 2001 das römische Mode-Imperium Fendi gekauft und ein Jahr zuvor das Florentiner Label Emilio Pucci mehrheitlich übernommen. Gleichzeitig erwarb die französische Holding PPR 1999 den Modekonzern Gucci. Doch nicht genug damit, im Jahre 2007 übernahm die in London angesiedelte Private-Equity-Gesellschaft Permira die Valentino-Fashion-Group, und im Februar dieses Jahres konnte die Modemarke Gianfranco Ferré verkünden, daß sie von der arabischen „Paris Group“ aus dem Golfemirat Dubai gekauft worden ist.

Zwar steht Italien noch immer an erster Stelle in der Weltrangliste, wenn es um Mode, Lederwaren oder Brillen geht. Das beweisen die Zahlen der Camera Nazionale della Moda Italiana. Dennoch sehen die Italiener in diesen Übernahmen ein Zeichen des Niedergangs von „Made in Italy“. Viele Branchen befürchten inzwischen eine massive Übernahmewelle, speziell durch die größeren Konkurrenten, denn inzwischen tummeln sich die französischen Rivalen nicht nur im Modebereich, sondern sie gedenken sich längst auch in die wichtigsten anderen Wirtschaftsbereiche einzukaufen. Die Alarmglocken in Italien läuten schrill, seitdem die Franzosen versuchen, sich nicht nur den Lebensmittelkonzern Parmalat via dem französischen Milchkonzern Lactalis einzuverleiben.

Auch die Bemühungen der staatlich dominierten Électricité de France (EDF) in Richtung des Elektrizitätsunternehmens Edison – die Nummer zwei in Italien – erregen Aufsehen. Für weiteres offizielles Unbehagen sorgte zusätzlich die Kunde, daß die französische Versicherungsgruppe Groupama erste Kontakte in Richtung des zweitgrößten italienischen Versicherungskonzerns Fondiaria-SAI aufgenommen hat. Die Regierung Berlusconi bestellte bereits den französischen Botschafter in den Palazzo Chigi ein, um gegen diesen Ausverkauf zu protestieren. Gleichzeitig hat das italienische Kabinett jetzt ein Dekret gegen Übernahmen italienischer Unternehmen durch Käufer aus dem Ausland beschlossen. Vorgesehen ist, daß Ausländer für Übernahmeangebote vorher eine Genehmigung der italienischen Regierung einholen müssen.

Italien folgt damit ausgerechnet dem Beispiel Frankreichs, das die eigene Industrie ohnehin auf vielfältige Weise staatlich schützt und stützt. Vorbild für Wirtschaftsminister Giulio Tremonti ist eine französische Regelung aus dem Jahre 2006. Damals hatte der US-Konzern Pepsi Cola ein Auge auf den Getränke- und Lebensmittelkonzern Danone geworfen. Unter der Regierung von Jacques Chirac wurde die Übernahme blockiert. Frankreich erstellte seinerzeit zugleich eine Liste von strategischen Branchen, die fortan beim Verkauf genehmigungspflichtig sind. Darunter fällt beispielsweise auch die Pharmaindustrie und der Bereich elektronische und Telekommunikation.

In den USA wurde übrigens bereits 1975 das Committee on Foreign Investment in the United States (CFIUS) gegründet, um ausländische Investitionen auf ihre Auswirkungen auf die nationalen Interessen der USA zu beurteilen. 1988 beschloß der US-Kongreß dann das Exon-Florio Amendment (1992 verschärft), wonach der US-Präsident sogar eine Rückabwicklung von unliebsamen Auslandsinvestitionen anordnen kann. Der 2007 von George W. Bush unterzeichnete Foreign Investment and National Security Act (FINSA) schuf noch größere Eingriffsmöglichkeiten.

In der Vergangenheit hat die italienische Regierung schon mehrmals interveniert, um ausländische Investoren zu stoppen. So bei der Fluggesellschaft Alitalia, als Berlusconi sich 2008 persönlich einschaltete und den Verkauf an Air France-KLM verhinderte. Die italienische Regierung gab Staatsgelder und schmiedete einen Pakt von Unternehmern, die illiquide Alitalia zu übernehmen. Die französisch-niederländische Fluggesellschaft darf bis 2013 nur einen Minderheitsanteil halten. Begrüßt wurde dieses neue Dekret auch von den Gewerkschaften. „Wir können nicht diesem gefährlichen Ausverkauf durch das Ausland zusehen, ohne einen Finger zu rühren“, erklärte der Generalsekretär der CISL, Raffaele Bonanni. Er betonte, daß es hier nicht um „Protektionismus“ gehe, sondern um die Interessen der italienischen Arbeiter.

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