© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/11 25. März 2011 Frisch gepresst Wir-Bilder. An Knud Andresen, der an der Kieler Universität über die Geschichtspolitik des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes (SHHB) zwischen 1947 und 2005 promovierte, ist mit seinem extrem funktionalistischen Weltverständnis ein Ingenieur verlorengegangen. Wimmelt es doch in seiner Meistererzählung vom SHHB von Erinnerungsakteuren, die je nach politischer Windrichtung Legitimationsressourcen erschließen, um durch raffiniertes Agenda-setting souverän Identität zu konstruieren. Da wird unter dem Druck der Bonn-Kopenhagener Erklärung (1955) vom Grenzkampf auf Verständigung locker umgeschaltet, so wie die SHHB-Führung dreißig Jahre später einfach den Hebel umlegte, um Nordelbiens Vergangenheit europäisch auszurichten. Stets sei es darum gegangen, innere Bindung an das Kollektiv zu erzeugen und Wir-Bilder zu entwerfen. Dem derzeit deutsche Historiker hypnotisierenden Narrativ der Konstruktion jeglicher Vergangenheit huldigt der von der Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützte Andresen in derart exzessiver Form, daß dabei am Ende die gute alte Ideologiekritik durchscheint, mit ihrer Fixierung auf finstere Mächte, die das Bewußtsein der Massen für ihre verwerflichen Ziele manipulieren. (wm) Knud Andresen: Schleswig-Holsteins Identitäten. Die Geschichtspolitik des Schleswig-Holsteinischen Heimatbundes 19472005, Wachholtz-Verlag, Neumünster 2011, broschiert, 390 Seiten, 32 Euro
Todesmärsche. Die Evakuierung deutscher Konzentrationslager, die im Winter 1944/45 in Reichweite alliierter Truppen gerieten, sollen etwa 250.000 von 750.000 Häftlingen nicht überlebt haben. Diese Vorgänge sind relativ gut erforscht und wurden, wie der Todesmarsch aus dem KZ Ravensbrück, in der DDR Teil einer lauten antifaschistischen Inszenierung, die auch von der Weiterverwendung der Lager durch die sowjetische Besatzungsmacht zwischen 1945 und 1948 ablenken sollte. Als Zusammenfassung des Materials bietet sich nun das aus dem Hebräischen übersetzte Kompendium des Jerusalemer Historikers Daniel Blatman an, die Frucht seiner zehnjährigen Forschungsfron. Blatman will damit zugleich ein erschreckendes Porträt der deutschen Gesellschaft in der Endphase des Dritten Reiches zeichnen. (ob) Daniel Blatman: Die Todesmärsche 1944/45. Das letzte Kapitel des nationalsozialistischen Massenmordes, Rowohlt-Verlag, Reinbek 2011, gebunden, 852 Seiten, Abbildungen, Karten, 34,95 Euro
Historisches Kalenderblatt 30. März 1951: Heinz Renner, stellvertretender KPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, erklärt im Ältestenrat, daß man Schlägereien künftig nicht mehr ausschließe, sollte man Abgeordnete seiner 15köpfigen Fraktion weiterhin mit Zwischenrufen beleidigen. |