© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/11 25. März 2011

Lockerungsübungen
Schub für die Kommunikation
Karl Heinzen

Das mit dem Nahen Osten betraute Central Command der US-Streitkräfte will dem islamistischen Feind im Informationsraum der sozialen Netzwerke entgegentreten. Um auf diesem Gefechtsfeld die Initiative an sich reißen zu können, halten es die Militärs für erforderlich, die zahlenmäßige Überlegenheit der Web-2.0-Aufständischen durch eigenen technologischen Vorsprung unschädlich zu machen. Zu diesem Zweck wurde nun das kalifornische Unternehmen Ntrepid beauftragt, ein Persona-Managementsystem zu entwickeln, das es einem einzelnen Informationssoldaten erlaubt, mit bis zu zehn künstlichen Online-Persönlichkeiten zugleich auf Facebook, Twitter oder Myspace sowie in Blogs und Foren zu operieren.

Das Central Command weist darauf hin, daß es eine amerikafreundliche Beeinflussung der öffentlichen Meinung nur in seinem regionalen Zuständigkeitsbereich und in den dort geläufigen Sprachen betreiben will. Diese Selbstbeschränkung ist allerdings nicht zweckmäßig. Die Islamisten nehmen zwar mit ihrer Propaganda vor allem die Menschen in jenen Weltregionen ins Visier, in denen sie den Umsturz anstreben. Mit ihren Terroranschlägen jedoch wollen sie die Öffentlichkeit in der westlichen Staatengemeinschaft zermürben und deren Bürger gegen Militäreinsätze wie jenen in Afghanistan aufbringen. Vor dieser Bedrohung dürfen die in diesen Einsätzen stehenden Streitkräfte die Augen nicht verschließen. Sie müssen auch den Bewohnern ihrer eigenen Länder in ihrer Meinungsbildung Beistand leisten.

Wie so häufig bei Rüstungsprojekten verspricht diese vom US-Militär angestoßene Entwicklung vielfältigen Nutzen für das zivile Leben zu stiften. Unternehmen könnten sich mit einer derartigen Technologie einfacher ins Gespräch bringen und unfreundlichen Erfahrungsberichten von Verbrauchern nachdrücklicher entgegentreten. Auch in der politischen Kommunikation von Parteien und Interessenverbänden wäre sie ein Innovationsschub. Allerdings gilt es zu beachten, daß das Vertrauen des Bürgers in die Relevanz sozialer Netzwerke im Internet dabei nicht brüchig wird. Wenn er erkennnt, daß die Wahrscheinlichkeit, es in ihnen mit einem realen Gegenüber zu tun zu haben, nur noch eins zu zehn beträgt, könnte auch noch sein letzter Funken Hoffnung, er wäre an dieser Gesellschaft demokratisch beteiligt, verglimmen.

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