© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/11 25. März 2011

Der Atomausstieg wird für die Stromverbraucher teuer
Ignoranz hat ihren Preis
Bernd-Thomas Ramb

Nach der Havarie der japanischen Kernkraftanlage Fukushima infolge eines verheerenden Erdbebens mit einem anschließenden 23 Meter hohen Tsunami hat in Deutschland die Angst vor den heimischen Atom-kraftwerken zugenommen. Presse, Funk und Fernsehen feuerten die Unsicherheit durch emotionalisierende Berichterstattung an. Vom Super-GAU ist die Rede, obwohl GAU bereits den größten anzunehmenden Unfall abkürzt und eine Verschmelzung der Kernbrennstäbe voraussetzt, die in Japan nicht eingetreten war. Rettungsversuche mit Wasserwerfern wurden dagegen als Spritzen mit der Wasserpistole verlacht.

Die bislang ausgetretene Radioaktivität liegt weit unter den Werten, die ein GAU repräsen-tiert, und die durch die Explosionen verletzten oder ums Leben gekommenen Arbeiter werden zahlenmäßig von den durch den Tsunami vernichteten Menschenleben um das mehrere Tausendfache übertroffen. Auch im Vergleich mit den Toten und Verletzten, die bei anderen Formen der Energiegewinnung seit ewigen Zeiten zu verzeichnen sind (in Kohlebergwerken Verschüttete, bei  Wartungsarbeiten von Windkraft- anlagen Verunglückte), verschont die Kernkraft objektiv mehr Menschenleben.

Die Mehrheit der Deutschen schätzt jedoch solche Vergleiche nicht. Selbst nicht den technologischen Hinweis, daß veraltete Kernkraftwerkstechnologie sich zur modernen Technik verhält wie ein uralter Käfer zum letzten Golf-Modell. Von einer rationalen Bewertung der Atomkraftfakten wollen die meisten Deutschen nichts mehr hören. Atomkraftwerke sind des Teufels und gehören abgeschafft – Schluß der Diskussion. Die Angst vor der unsichtbaren Gefahr, gepaart mit der Lust auf frei kalkulierbare Kosten, siegt und das hat seinen Preis.

Der Ausstieg aus der Nutzung der Kernkraft zur Energiegewinnung wird zweifelsfrei den Strompreis in die Höhe treiben. Die fehlenden Kapazitäten können langfristig nur durch teurere Methoden der Energiegewinnung ersetzt werden. Kurzfristig sind bei fixierten Preisen Stromsperren unumgänglich, bei flexiblen Preisen sofortige Preissprünge unvermeidbar: Wer mehr zahlt, bekommt das knappe Gut Elektrizität.

Auf der Angebotsseite wird die Bereitschaft der Deutschen, zur Verringerung ihrer Atomkraft-ängste ihren Geldbeutel zu öffnen, die internationalen Stromproduzenten elektrisieren. Angst wird zum handelbaren Gut. Der ausländische Profit steigt, je geringer die Kosten der Stromproduktion sind. Am kostengünstigsten aber ist die Kernenergie. Vor allem wenn die hohen deutschen Sicherheitsstandards verringert werden. Der Ausstieg der Deutschen macht damit die internationale Kernkraftnutzung gefährlicher. Aber die rationale Diskussion ist ja unerwünscht. Nicht nur die Angst, auch die Ignoranz hat ihren Preis.

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