© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/11 25. März 2011

Kurt Beck darf wieder hoffen
Rheinland-Pfalz: Die Atomkatastrophe in Japan hat an Rhein und Mosel auch die letzten Chancen auf einen Machtwechsel zunichte gemacht
Hans Christians

Die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz dürfte nun doch eine klare Angelegenheit für Ministerpräsident Kurt Beck werden. Zwar wird die SPD wohl ihre absolute Mehrheit verlieren, den Chefsessel in der Mainzer Staatskanzlei wird Beck aber dennoch behalten können.

Dies liegt vor allem an dem Atomunglück in Japan und der daraus resultierenden Debatte um die Nutzung der Kernenergie. Satte 14 Prozent wollen neuesten Umfragen zufolge die Grünen wählen. Die Ökopartei wäre folglich der große Gewinner, nachdem sie bei der Landtagswahl 2006 mit 4,6 Prozent  scheiterte. Die SPD kann demnach nur noch mit 37 Prozent rechnen, was einen Verlust von rund acht Prozent bedeuten würde. Die CDU, die mit der ehemaligen Weinkönigin Julia Klöckner (JF 5/11) ins Rennen geht, wird vermutlich einige Prozentpunkte gutmachen können, auch wenn es wohl wieder nur für Platz zwei reichen dürfte. Vor fünf Jahren erzielte die Union mit 32,8 Prozent ein für sie in Rheinland-Pfalz katastrophales Ergebnis. Für die FDP, die ursprünglich auf ein schwarz-gelbes Bündnis spekuliert hatte, geht es mittlerweile ums nackte Überleben. Anfang der Woche lag die Partei im Stammland von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle bei sechs Prozent, Tendenz fallend. Vor der Katastrophe in Japan hatte Brüderle noch von einem Stimmungsumschwung zugunsten seiner Partei gesprochen.

„Aktuelle Umfragen zeigen, daß Atompolitik derzeit das wichtigste und wahlentscheidende Thema ist. An unseren Wahlkampfständen bekommen wir viel Zuspruch für unsere Anti-Atom-Politik“, frohlockt denn auch die Grünen-Spitzenkandidaten Eveline Lemke und stänkert gegen die liberale Konkurrenz: „Ihre eigenen Wähler verstehen den plötzlichen Anti-Atom-Kurs der FDP nicht mehr. Japan ist allgegenwärtig. Das wird uns stark machen.“ Ein schwarz-grünes Modell oder gar eine Jamaika-Koalition unter Einschluß der FDP wie im benachbarten Saarland lehnen die Grünen ab, wobei beide Konstellationen rechnerisch durchaus möglich wären. „Wir brauchen einen Vertragspartner, auf den wir uns verlassen können. Und da habe ich bei dem Kursschwenk in der Atomfrage große Zweifel“, sagt der Grünen-Frontmann Daniel Kübler. Auch bei den Themen Integration und Schulpolitik liege man weit auseinander. „Am liebsten würden wir mit der SPD koalieren, weil dort die Schnittmengen am größten sind.“

FDP-Spitzenkandidat Herbert Martin, der vor Monaten für Wirbel sorgte, weil er Wahlkampfauftritte des FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle vermeiden wollte, drohen die Felle davonzuschwimmen. Er hatte während des Wahlkampfs ganz auf das Thema Bildung gesetzt und für den Erhalt des Gymnasiums gekämpft. Ausgerechnet auf der Zielgeraden spielen diese Themen nun keine Rolle mehr. Die in Rheinland-Pfalz schon seit ihrer Gründung zerstrittene Linkspartei wird mit vier Prozent vermutlich erneut den Einzug in den Mainzer Landtag verfehlen. Dies liegt neben dem Mangel an qualifiziertem Personal (siehe Meldung auf dieser Seite) auch an Beck, der als Anwalt des „kleinen Mannes“ gilt. Richtige Proteststimmung will sich da nicht einstellen.

Mit diesem Problem haben auch die beiden antretenden Rechtsparteien zu kämpfen. Die Republikaner, die gerade in der Pfalz und an der Rheinschiene noch über zahlreiche kommunale Mandate verfügen, erzielten 2006 1,8 Prozent der Stimmen. Ernsthafte Hoffnungen auf einen Landtagseinzug macht man sich nicht. Gleiches gilt auch für die NPD, die fast all ihre personellen und finanziellen Ressourcen in Sachsen-Anhalt investiert hatte. Bei einem Landtagseinzug hoffte man eine Sogwirkung erzielen zu können. Doch nach dem knappen Scheitern in Sachsen-Anhalt ist nun die Teilnahme an der staatlichen Parteienfinanzierung, für die ein Prozent reichen, oberstes Ziel.

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