© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Frisch gepresst

Amerikanisierung. „Das ‘Vorbild USA’ dominiert den heutigen Hochschulreformdiskurs in der Bundesrepublik in einem kaum zu überschätzenden Ausmaß.“ Der Augsburger Historiker Stefan Paulus weist in seiner so gründlichen wie mitunter ledernen Darstellung der „Amerikanisierung“ des westdeutschen Hochschulwesens nach, daß diese Orientierung eine sehr lange, schon 1945 im Zeichen der US-Besatzungsmacht beginnende Geschichte hat. Überraschend ist das nur für ganz Unbedarfte. Paulus’ Tiefenbohrung zeigt aber zugleich, wie viele an das US-Modell geknüpfte Blütenträume zerplatzt sind. So behaupteten sich nicht etwa die dem US-„Campus“ nachgeschusterten „Reformuniversitäten“ wie Bielefeld, Bochum oder Konstanz im globalen „Ranking“ besser, sondern Hohe Schulen mit ehrwürdiger Tradition wie Heidelberg oder Tübingen. Verfechtern einer „gebetsmühlenartig“ auf die USA verweisenden „marktgerechten“ Hochschule schreibt Paulus solche Erfahrung mit Rotstift ins Stammbuch. (jr)

Stefan Paulus: Vorbild USA? Amerikanisierung von Universität und Wissenschaft in Westdeutschland 1945–1976, R. Oldenbourg Verlag, München 2011, gebunden, 617 Seiten, 84,80 Euro

 

Rudolf Steiner. Stilblüten und sprachliche Flapsigkeiten zuhauf sollen wohl die ironische Distanz unterstreichen, die Helmut Zanders Verhältnis zu Rudolf Steiner (1861–1925) prägt, zum „führenden Esoteriker des 20. Jahrhunderts“. Man darf also davon ausgehen, daß im Hause Zander weder Weleda-Präperate zum Einsatz kommen, noch dem Nachwuchs Waldorfpädagogik zugemutet wird. Der an der Humboldt-Universität in Berlin lehrende Historiker, mit seiner Geschichte der anthroposophischen Bewegung (2007) als Steiner-Experte hinreichend ausgewiesen, zeigt den mit Astralleibern und anderen Bewohnern höherer Welten auf vertrautem Fuß stehenden Naturwissenschaftler keineswegs „in neuem Licht“ (Verlagswerbung), läßt vor allem die Vernetzung in den Weltverbesserersyndikaten um 1900 zu kurz kommen und akzentuiert dafür „rassistische“ Anwandlungen um so hingebungsvoller. Aber selbst fanatische Jünger des Meisters werden Zanders Arbeit nicht als unfair empfinden. Auf Steiners „Entzauberung“ läuft aber trotzdem alles hinaus. (wm)

Helmut Zander: Rudolf Steiner.       Die Biographie. Piper Verlag, München 2011, gebunden, 535 Seiten, Abbildungen, 24,95 Euro

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