© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Angelas Ahnenerbe
Westpreußische Wurzeln der Bundeskanzlerin
Oliver Busch

Gleich zweimal präsentiert das aktuelle Westpreußen-Jahrbuch Angela Merkel ganzseitig mit ihrem üblichen gebremsten Lächeln. Was hat die in Hamburg geborene, im brandenburgischen Templin aufgewachsene Kanzlerin mit Westpreußen zu tun? Diese Fragen beantwortet Klaus Hinz in seinem genealogischen Beitrag über Merkels Herkunft. Er zerstört zugleich eine Legende: In Polen, wo sich sogar ein Fanklub „Angela Merkel Klub Polski“ begeistert, dichtete man ihr einen „polnischen Großvater“ an und verlegt den Geburtsort der „Kanzlerin-Mutter“ in die Hafenstadt Elbing.

Hinz weist dagegen nach, daß mütterliches „Ahnenerbe“ im Niederschlesischen wurzelt. Im Kreis Glogau wurde die Urgroßmutter Emma Wachs 1871 geboren. Die heiratete den Verwaltungsangestellten Emil Drange aus dem Posenschen. In Glogau kam 1891 deren Tochter Gertrud zu Welt. Dranges siedelten 1898 nach Elbing über, wo der Stadtsekretär Drange schon 1913, seine Witwe 1935 starb. Gertrud absolvierte die Höhere Mädchenschule, wählte den Lehrerberuf und unterrichtete bis 1921 an der Elbinger Luisenschule. Im selben Jahr ehelichte Merkels Großmutter den Gymnasiallehrer Willi Jentzsch, den Sohn eines Gutsbesitzers aus alteingesessener Familie im sächsischen Kreis Bitterfeld. Das Paar wohnte in Danzig-Langfuhr, verzog 1931 ins nahe Zoppot. In Langfuhr erblickte „Angie’s Mum“ (Die Zeit) 1928 das Licht der Welt, in Zoppot wurde Herlind Jentzsch 1934 eingeschult, die Familie zog bald darauf an die Elbe. Die Mitgliedschaft ihrer Mutter in der „Landsmannschaft der Danziger Hamburg e. V.“ zeugt aber auch nach 1945 weiter von Verbundenheit mit der alten Heimat. In Hamburg studierte ihre Tochter Herlind, heiratete dort den Theologen Horst Kasner. 1954 wurde Tochter Angela geboren.

Ob diese Familiengeschichte „ein Glück für die Bundesrepublik“ birgt, wie Hinz beflissen urteilt, mögen Historiker eines fernen Tages entscheiden. Heute steht indes schon fest, daß die Heimatvertriebenen mit der „halben“ Westpreußin Angela Merkel kein Glück hatten. Tat sie doch alles, damit die Erinnerung an Flucht und Vertreibung, Opfer und Schicksal der Ostdeutschen nicht zur deutschen „Staatsraison“ zählen darf. 

Hans-Jürgen Kämpfert (Hrsg.): Westpreußen-Jahrbuch 61. Westpreußen-Verlag, Münster 2011 broschiert, 172 Seiten, Abbildungen, 15 Euro

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