© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Mit weniger Menschen bescheidener leben
Josef Reichholf erneuert seine Klage über die Vernichtung vieler Biotope und der Artenvielfalt durch die Landwirtschaft / Aktualität im Zeitalter des Biosprits
Volker Kempf

Planet der Menschen“ lautet das Vorwort von Josef H. Reichholf, das erinnert nicht ganz zufällig an den Science-Fiction-Film „Planet der Affen“. Zur Erinnerung: Menschen wurden in diesem Filmklassiker von Affen gefangengehalten, weil sie als dumme Wesen galten. Einer dieser Menschen weckte das Interesse der Wissenschaftler unter den Affen. Er wollte beweisen, daß Menschen intelligent sind. Doch dieser Mensch mußte am Ende einsehen, der Planet der Affen, auf dem er gelandet war, war einst der Planet der Menschen: die Erde, versunken in Dreck und atomarer Verseuchung.

Reichholfs Buch, bereits 2004 hat er ähnliches zu Papier gebracht, handelt also vom Menschenplaneten, unserer Erde mit ihren realen Problemen. Der Ökologe Reichholf zeigt faktenreich auf, wo populäre Ökoirrtümer liegen. Nicht so sehr der Flächenfraß, sondern die industrielle Landwirtschaft sorge für einen Artenschwund, den er nicht anders denn als katastrophal beschreiben könne. Neben der Schaffung von Monokulturen sei die Überdüngung ein zentrales ökologisches Problem. „Die Aktionen, die von Natur- und Umweltschützern und den Grünen kamen, blieben im Landwirtschaftsbereich so gut wie bedeutungslos. Man beschäftigte sich“, so Reichholf weiter, „stattdessen unbeirrt mit alten Feinden, nämlich Industrie, Bautätigkeit und Verkehr, und führte Kämpfe gegen die ‘liebgewonnenen’ Gegner auch dann noch, als längst klar war, woher die Hauptbelastungen von Natur und Umwelt kommen und wer die mit weitem Abstand massivsten Verluste an Arten (...) verursacht.“

Wahrscheinlich sei der Artenausfall noch deutlich höher als der WWF vermute, da die meisten Arten in jenem Gebiet leben würden, wo der Mensch dabei sei, am intensivsten sein Vernichtungswerk zu vollbringen. Die meisten Verluste an Regenwald gebe es durch die hohe Fleischnachfrage und den damit verbundenen Viehbestand. Nicht die Zahl der Menschen allein sei entscheidend, sondern die der Nutztiere noch aussagekräftiger. Aber auch die Nachfrage nach Biosprit leiste ihren Beitrag. Nötig sei eine andere Kultur, eine mit weniger Fleischkonsum. Doch da anzusetzen erscheint auch Reichholf mit am schwierigsten zu sein.

Reichholf hält es für wahrscheinlich, daß der Mensch sich seine eigenen Lebensgrundlagen derart zerstört, daß er dazu gezwungen sein wird, mit weniger Menschen bescheidener zu leben. Nicht die Herrschaft der Affen über die Erde stehe damit bevor, sondern nur ein Rückfall in eine Ausgangslage, wie sie am Ende des Mittelalters bestand. Für viele, die nicht gerade den Blick eines Biologen einnehmen, der sich schon über die Arterhaltung als solche freuen kann, wird diese Perspektive wenig erbaulich sein. Denn der Mensch, so Reichholf, das seien auch die, die heute schon leben, also wir.

Reichholf schlüsselt Zusammenhänge auf, die sonst in den politisch aufgeladenen Umweltdebatten meist ausgeblendet und verzerrt dargestellt werden, weil sie für eine massenfähige Position einfach zu unbequem sind. Ganz klar ein Standardwerk für die ökologische Debatte, hervorragend geschrieben obendrein.

Josef H. Reichholf: Der Tanz um das goldene Kalb. Der Ökokolonialismus Europas. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2011, broschiert, 144 Seiten, 10,90 Euro

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