© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Lockerungsübungen
Aufstiegschance für alle
Karl Heinzen

Gegen die Westdeutsche Lotterie ist eine einstweilige Verfügung des Landgerichtes Köln ergangen, die ihr untersagt, Sportwetten von Hartz-IV-Empfängern anzunehmen. Kommt das staatseigene Unternehmen dieser Aufforderung nicht nach, droht ihm ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro. Das Gericht soll auf Antrag eines in Malta ansässigen privaten Wettanbieters tätig geworden sein, der sich auf den von den 16 Bundesländern geschlossenen Glücksspielstaatsvertrag beruft. Dieser legt in einer sogenannten Sperrliste fest, daß bestimmte Risikogruppen des besonderen Schutzes bedürfen, damit sie nicht spielsüchtig werden oder sich finanziell übernehmen. Zu diesen gehören, über Minderjährige und Menschen mit hohen Schulden hinaus, auch all jene Bürger, die sich Glücksspiel eigentlich gar nicht leisten können, weil sie zum Beispiel Empfänger staatlicher Unterstützungszahlungen sind.

Die Westdeutsche Lotterie scheint nennenswerte Auswirkungen auf ihr Geschäft nicht zu befürchten. Auch wird sie Rechtsmittel gegen die einstweilige Verfügung einlegen. Es ist aber zu erwarten, daß nun die Verfechter einer härteren Gangart in der Glücksspielpolitik Morgenluft wittern. An einer solchen kann aber der Staat kein Interesse haben, ist er doch als Anbieter auf diesem Markt Nutznießer seiner eigenen Pflichtvergessenheit. Diese findet ihre Legitimation darin, daß die Bürger ihm durch die Beteiligung an Glücksspielen Einnahmen auf freiwilliger Basis bescheren, während sie zu Steuern ja gezwungen werden müssen. Auch fließt bei Wetteinsätzen von Hartz-IV-Empfängern schließlich bloß Geld an ihn zurück, das er ihnen selber zur Verfügung gestellt hat.

Vor allem gilt es aber, die Bürger vor ausufernder Bevormundung zu schützen. Wer die Empfänger staatlicher Transferleistungen vom Glücksspiel ausschließt, wird ihnen im nächsten Schritt auch die Spekulation an der Börse verbieten. Dies dürften die Finanzmärkte kaum verkraften. Unübersehbar sind auch die psychologischen Konsequenzen, wenn man den sozial Schwachen die Hoffnung raubt, es durch das Glück im Spiel doch noch zu etwas bringen zu können. Die meisten Menschen haben schon in der Lebenslotterie verloren. Sie wissen, daß kein Tellerwäscher Millionär wird. Lotto und nicht Leistung ist die Karte, auf die sie setzen müssen, um den sozialen Aufstieg zu schaffen.

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