© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Nicht kleckern, sondern klotzen
EU-„Masterplan“: Mit Hilfe der Zivilgesellschaft, zwischenmenschlichen Beziehungen und verbesserter Mobilität soll ein neues Nordafrika entstehen
Michael Wiesberg

Libyens Staatspräsident Muammar al-Gaddafi ist zwar noch an der Macht, dennoch aber denkt die EU bereits über die Zeit „nach Gaddafi“ nach.  Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton machte vergangenen Freitag auf einem EU-Sondergipfel klar, daß „wir es uns nicht leisten könnten, klein zu denken“. Was das in EU-Kreisen heißt, ist mittlerweile hinlänglich bekannt, nämlich, daß Geld bewegt werden soll. Den sogenannten Reformstaaten Tunesien, Ägypten, Marokko und in spe auch Libyen – das hofft die EU zumindest – wird „umfassende Hilfe“ in Aussicht gestellt. Hierfür gibt es bereits einen Plan der EU-Kommission, der den schönen Titel „Eine Partnerschaft mit dem südlichen Mittelmeerraum für Demokratie und gemeinsamen Wohlstand“ trägt. Inwieweit dieses milliardenschwere Projekt – vier Milliarden Euro Hilfe und sechs Milliarden Euro Darlehen –  einen Aufbruch zu neuen Ufern darstellt, oder ob es eher als Neujustierung der seit 2008 bestehenden Mittelmeerunion, die aktuell blockiert ist, zu verstehen ist, bleibt unklar, ist aber wohl auch nur von peripherer Bedeutung.

Demnach will die EU „mit aller Kraft den Wunsch der Menschen in unserer Nachbarschaft unterstützen, dieselben Rechte und Freiheiten zu erlangen, die für uns bereits eine Selbstverständlichkeit sind“. Genauer gesagt stellt sich Ashton für die Maghreb-Zone eine Demokratisierung nach EU-Vorbild vor; dazu gehört unter anderem die „Zivilgesellschaft“, deren Stärkung sich Ashton aufs Panier geschrieben hat. Nur diese könne eine wichtige Rolle bei der „Eindämmung staatlicher Übergriffe spielen“.

Natürlich wird auch die Gender-Ideologie nicht vergessen, wenn vermerkt wird: „Frauen haben bei den Umwälzungen in der Region eine wichtige Rolle gespielt, und geschlechterspezifischen Aspekten wird bei der künftigen EU-Hilfe eine große Bedeutung zukommen.“

Da die „Menschen in unserer Nachbarschaft“ jedoch nicht nur von Freiheit und Demokratie allein leben können und um islamistischen Netzwerkern im sozialen Bereich Paroli zu bieten, ist in dem Papier auch der wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung getragen worden. Angestrebt werden ein „rascher Abschluß von Abkommen über Agrar- und Fischereierzeugnisse“, die „Beschleunigung der Verhandlungen über den Handel mit Dienstleistungen“ sowie „Verhandlungen über umfassende Freihandelszonen“ in Aussicht gestellt. Um all das finanzieren zu können, soll das Kreditlimit der Europäischen Investitionsbank um eine Milliarde Euro erhöht und der Aktionsradius der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung auf Nordafrika ausgedehnt werden.

Parallel dazu bemüht sich die Kommission um eine „engere Partnerschaft mit der Bevölkerung“, wobei die Förderung „direkter persönlicher Kontakte zwischen den Menschen“ eine tragende Säule darstellt. Sie, so der Kommissionsplan weiter, ist nicht nur für die kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung des gesamten Mittelmeerraums von Nutzen, sondern ebenso für die „Integration von Migranten in der EU“.

„Verbesserte Mobilität“ heißt dies im O-Ton und ist verbunden mit Visa-Erleichterungen für Studenten, Forscher und Geschäftsleute. Daß aber gerade Visa-Erleichterungen von vielen EU-Mitgliedsstaaten abgelehnt werden, ist den Verfassern dieses Papiers entgangen. Dennoch zeigt sich Kommissionspräsident José M. Barroso kämpferisch: „Die Angst vor einer unbekannten Zukunft wird uns nicht daran hindern, die derzeitigen Entwicklungen zu unterstützen.“

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