© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Wahlkampf um Sprachkurse
Integration: Koalition und Opposition streiten über die Ausländerpolitik
Hans Christians

Unmittelbar vor den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz hat die schwarz-gelbe Koalition unvermittelt die Ausländerpolitik zum Thema gemacht. So soll es unbefristete Aufenthaltsgenehmigungen für Einwanderer künftig nur dann geben, wenn ein Integrationskurs erfolgreich absolviert wurde. Um die Zuwanderer stärker „zu einem erfolgreichen Abschluß des Integrationskurses anzuhalten, soll die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in der Regel jeweils auf höchstens ein Jahr befristet werden, bis der Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen wurde“, heißt es in einem Papier der innenpolitischen Sprecher der Koalition, Hans-Peter Uhl (CSU) und Gisela Piltz (FDP). 

Allerdings soll die Neuregelung auf hochqualifizierte Zuwanderer und EU-Bürger keine Anwendung finden. Die übrigen Zuwanderer wolle die Regierung zum Deutschlernen anhalten, um sicherzustellen, daß sie am Ende ihres Integrationskurses auch tatsächlich Deutsch sprechen können. Bisher wurden nur Sanktionen in dem Fall verhängt, wenn sich Migranten weigerten, einen Sprachkurs zu besuchen. Die Kritik an den Plänen ließ nicht lange auf sich warten. Laut Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, sei die Bundesregierung durch die „miserable Bezahlung der Lehrkräfte“ mit dafür verantwortlich, daß weniger als die Hälfte der Sprachkursteilnehmer die Kurse  besteht. „Bestraft werden insbesondere bildungsferne und ältere Menschen, aber auch Eltern mit Kindern und Analphabeten, denen der Erwerb der deutschen Sprache aufgrund ihrer persönlichen Möglichkeiten oder ihrer familiären Lebenssituation schwerer fällt als anderen“, sagte Dagdelen. Uhl konterte die Einwände umgehend. Ihm sei es „egal, ob das Druck oder zusätzliche Anreize schafft. Mir ist wichtig, daß Einwanderer die deutsche Sprache lernen.“

Auch die Grünen kritisierten die Pläne scharf. „Ich finde den Vorschlag sehr populistisch. FDP und CDU möchten weitere rassistische Debatten angesichts der Wahlen“, sagte Memet Kilic, migrationspolitischer Sprecher der Grünen, der Pforzheimer Zeitung. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, sprach von einem völlig verfehlten „repressiven Ansatz“. Aus Stammtischparolen dürften keine Gesetze gemacht werden. Der Deutsche Gewerkschaftsbund beklagte, die Kurse seien seit Jahren unterfinanziert. Es sei „nicht akzeptabel, wenn trotz des offenkundigen Mangels Sanktionen greifen sollen“. Die Türkische Gemeinde in Deutschland reagierte „besorgt und mit großer Enttäuschung“ auf den Vorstoß. Die Idee sei populistisch, sagte der Vorsitzende Kenan Kolat. Die Koalition schüre auf diese Weise Vorurteile gegenüber Migranten.

Doch auch innerhalb der Koalition ist das Vorhaben nicht unumstritten. „Die Sorge in der FDP ist groß, daß mit dem neuen Innenminister Friedrich ein konservatives Rollback in der Integrationspolitik vorbereitet werden soll“, schreibt Spiegel-Online unter Berufung auf FDP-Politiker. „Integrationspolitik muß fördern und fordern“, verteidigte dagegen der FDP-Innenpolitiker
Hartfrid Wolff die geplante Neuregelung. Mit der Regelung wolle man die Abbrecherquote bei den Integrationskursen verringern.

Doch die Kritiker aus den eigenen Reihen dürften durch einen anderen Plan der Koalition besänftigt werden. So haben sich Union und FDP darauf geeinigt, integrierten ausländischen Minderjährigen unabhängig von den Eltern ein eigenständiges Bleiberecht zu gewähren.

Foto: Ausländische Schülerinnen: Eigenständiges Bleiberecht für erfolgreiche Kinder von Einwanderern?

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