© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/11 18. März 2011

Boris Palmer gilt als die Nachwuchshoffnung der Grünen im Südwesten.
Das Wunderkind
Michael Paulwitz

Manchmal fällt der Apfel doch recht weit vom Stamm. Helmut Palmer, in Schwaben hochgeschätzter Pionier des Obstbaumschnitts, legte sich zeitlebens mit der Obrigkeit an, saß ob seiner Widerborstigkeit diverse Gefängnisstrafen ab und forderte als der im Südwesten berüchtigte „Rebell vom Remstal“ die Politik per Gegenkandidatur bei mehr als 250 Bürgermeisterwahlen heraus. Sein Bub, der Boris, eroberte 2007 dagegen für die Grünen schon beim zweiten Wahlantritt das Tübinger Rathaus und gilt längst als „Nachwuchshoffnung“ (Spiegel) und Polit-„Star“ – wie ihm selbst die oppositionelle CDU bestätigte – der Öko-Partei in Baden-Württemberg, wo am 27. März gewählt wird. Deren Spitzenkandidat Winfried Kretschmann sei gar nur ein Platzhalter für Boris Palmer, hatte der um seinen Ministerpräsidentensessel kämpfende CDU-Chef Stefan Mappus jüngst gestichelt – das saß. Denn geduldig läuft sich der Wohlfühl-Öko in der Tat warm für höhere Aufgaben.

Zur Führungsreserve der Grünen zählt er schon, seit er vor zehn Jahren mit 29 ein Landtagsmandat holte und bald zum Fraktionsvize aufstieg. Manche stilisieren ihn zum „neuen Joschka“ – obwohl er nun wirklich eher zur Bionade- als zur Toskana-Fraktion gehört. Palmer galt dennoch rasch als der Mann fürs Schwarz-Grüne. Er wollte an die Macht, ohne sich mit den grünen Platzhirschen anzulegen; also wich er auf die Kommunalpolitik aus. Meisterhaft beherrscht er die grüne Kunst, sich mit Symbolpolitik als „Rebell“ zu inszenieren, während er tatsächlich gekonnt auf jeder Zeitgeistwelle reitet. In Tübingen etwa gibt er als jüngster grüner OB im Südwesten den Hansdampf in Sachen Klimaschutz und Energiesparen. Die Kreditlast der bei seinem Amtsantritt schuldenfreien Universitätsstadt ging zwar steil nach oben, aber für Palmers Obsession, sein lokales „Klimaschutz“-Programm, ist immer Geld da. Der Dienstwagen wurde erst bei Toyota statt „beim Daimler“ geordert, dann ganz abgeschafft; das fällt in der weltweiten CO²-Bilanz zwar nicht ins Gewicht, entzückt aber die radelnde Studenten-Klientel, und Palmer kann mit seinem Kampagnenmotto „Eine Stadt macht blau“ bundesweit auf Vortragstour gehen. Blau machte der Rathauschef dann auch persönlich, als er nach der Geburt seiner Tochter ganz gendergerecht in „Elternzeit“ ging.

Mit Schwarz-Grün läuft es allerdings nicht mehr so gut, seit der Tausendsassa im Konflikt um Stuttgart 21 zeitweilig zum Wortführer der Projekt-Gegner avancierte. Aber Boris Palmer kann warten. Einmal müssen die Kretschmanns, Künasts und Trittins doch auch Platz machen. Fürs Rebellieren war Vater Palmer zuständig; der Sohn schleicht sich geschmeidig durch die Institutionen.

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