© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/11 11. März 2011

Hindukusch für die Heimatfront
Der Fallschirmjäger Robert Eckhold hat eine ebenso anschauliche wie resignative Schilderung seines Afghanistan-Einsatzes in Kunduz geschrieben
Nils Wegner

In Zeiten, wo die Bundeswehr zu einer verteidigungsunfähigen Rumpftruppe ohne klares operatives Konzept herunter-rationalisiert wird, geht leicht der Blick auf die Soldaten selbst verloren. Gleichzeitig ist von seiten derjenigen, die am Hindukusch angeblich „Deutschlands Freiheit“ verteidigen, viel zu selten eine Selbsteinschätzung zu vernehmen.

Diesem Mißstand versucht Robert Eckhold mit seinem Erlebnisbericht „Fallschirmjäger in Kunduz“ nun abzuhelfen. Eckhold meldete sich im Spätsommer 2008 als Angehöriger des Fallschirmjägerbataillons 263 in Zweibrücken freiwillig nach Kunduz – ein Einsatz, der für ihn als damaligem Feldwebelanwärter so nicht vorgesehen war. Diese Truppenverlegung war eine Reaktion auf den fatalen Anschlag vom 27. August des Jahres, bei dem ein gefallener und drei verletzte Bundeswehrangehörige zu beklagen waren. Was er vor, während und nach seinem Einsatz erlebte, davon berichtet Eckhold in seinem Buch.

Dabei begannen für Eckhold die Absurditäten schon vor dem Abflug aus Deutschland. Die Versicherung belehrte ihn darüber, daß sie im Todesfall nicht zahlen würde, für alle Ausrüstungskisten waren umfangreiche Zollinhaltserklärungen zu schreiben und am Flughafen wurden die Soldaten durch einen normalen Sicherheitsbereich mit Metalldetektor geschleust. Letztlich schaffte es das Verstärkungskontingent nach einem Zwischenaufenthalt in Usbekistan dann doch nach Kunduz, nur um dort am Flughafen als allererstes auf die Kameraden zu treffen, die im Austausch zurück nach Deutschland geschickt wurden. „Egal, in welches ihrer Gesichter man schaute, es war ‘leer’“, beschreibt Eckhold den alarmierenden ersten Eindruck vom Zustand der deutschen Afghanistankämpfer.

Der mulmige Ersteindruck verstärkte sich noch nach der Ankunft im Feldlager auf einem „Platte“ genannten Hochplateau, denn dieses wurde mitnichten von der Bundeswehr, sondern ausschließlich von afghanischen Polizisten und Soldaten gesichert. Dessen ungeachtet wurden die Neuankömmlinge im Lager zuallererst darauf hingewiesen, daß – bei 40 Grad Lufttemperatur – unbedingt die Kopfbedeckungspflicht einzuhalten und daher das bordeauxrote Barett zu tragen sei. Auch erwies es sich als vorerst unmöglich, vom Versorgungsunteroffizier Bettdecken und andere Ausrüstung zu empfangen, da dieser seine Pause nicht vorzeitig beenden wollte. Allen bürokratischen Widrigkeiten zum Trotz sollte es für Robert Eckhold und seine Kameraden schon nach fünf Tagen in den ersten nächtlichen Spähtruppeinsatz gehen. Und so sieht auch der Rest seiner 78 Tage Auslandseinsatz aus: Erkundungs- und Sicherungseinsätze, meist nachts. Ständig unter Beobachtung durch die Zivilbevölkerung, die ihrer Abneigung gegen die fremden Truppen vielfältig Ausdruck verlieh. „Davon, daß angeblich 90 Prozent der Bevölkerung die Anwesenheit der Isaf befürworteten, spürte ich absolut nichts.“ Das Feldlager steht unter regelmäßigem Raketenbeschuß, gemeinsame Operationen mit dem afghanischen Geheimdienst oder einheimischen Übersetzern scheinen oft hintertrieben zu sein und sind selten effektiv. Und schließlich als bitterer „Höhepunkt“ der Anschlag vom 20. Oktober 2008, bei dem zwei Kameraden aus dem Bataillon ihr Leben verlieren.

Robert Eckholds Erlebnisbericht hat keinen Anspruch eines literarischen Meisterwerkes der Kriegsliteratur. Vielmehr soll es den Landsleuten und Angehörigen verständlich machen, in welcher Lage sich „ihre Jungs“ dort befinden. Schonungslos, doch stets auch mit Galgenhumor klärt der Autor über Mißstände und die feindselige Haltung der Bevölkerung auf. „Fallschirmjäger in Kunduz“ wird ergänzt durch zahlreiche kleine Bilder aus Privatbesitz und ist in klarer, schnörkelloser Sprache gehalten. Es stellt eine wichtige und wertvolle Lektüre für die „Heimatfront“ dar.

Robert Eckhold: Fallschirmjäger in Kunduz Command Verlag, Limbach-Oberfrohna 2010, broschiert, 298 Seiten, Abbildungen, 19,80 Euro

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