© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/11 11. März 2011

„Mach Geld. Mach mehr Geld.“
Selbstüberschätzung: Scientology-Gründer L. Ron Hubbard ist auch als Schriftsteller nur Mittelmaß
Harald Harzheim

Klack, klack, klack, klack, so klang es Tag und Nacht aus dem Zimmer des Autors Lafayette Ron Hubbard. Wir schreiben das Jahr 1932: Ganze 300.000 Zeichen pro Monat will er seiner Schreibmaschine in jener Zeit entlockt haben. Nach mißglückter Militärkarriere und schlecht abgeschlossenem Ingenieurstudium verfaßte er Skripte für Pulp-Magazine (benannt nach dem billigen Papier, „Wood pulp“, auf das man diese Groschenheftchen druckte), tummelte sich dort in sämtlichen Genres: Western-, Gangster- und Abenteuerromane, 1938 kam noch Science-fiction hinzu.

Bald verkaufte der Vielschreiber auch Drehbücher für Hollywoods „Serials“, Leinwand-Vorläufern heutiger Daily-Soaps. Deren wöchentliche Einzelfolgen bildeten das Vorprogramm zum Hauptfilm. Beides, Pulp-Magazine wie Serials, waren schnell produziert und ebenso rasch vergessen. Hier brachte nur die Masse den Gewinn. Und der am 13. März 1911 in Tilden (Nebraska) geborene Autor wußte: Während der Wirtschaftsdepression „hatte man entweder Erfolg oder man verhungerte“. Womöglich war es diese Angst, die ihn später erklären ließ: „Make money. Make more money. Make other people produce so as to make more money.“ (Mach Geld. Mach mehr Geld. Mach, daß andere Leute produzieren um mehr Geld zu machen.)

Diese Jagd nach Reichtum thematisierte auch sein Hollywood-Serial „The Secret of Treasure Island“ (Das Geheimnis der Schatzinsel, 1938), frei nach Motiven von R. L. Stevenson: Der Reporter Larry Kent, auf der Suche nach einem verschollenen Kollegen, findet die Karte einer karibischen Insel, die einen vergessenen Piratenschatz bergen soll. Bald hat er einen gefährlichen Konkurrenten: den exzentrischen Physiker Dr. X, der in Piratenkleidung und mit Totenschädelmaske durch die Szenerien spukt. Die rasante Handlung führt ins hoch gelegene Insel-Schloß, in dunkle Geheimgänge, in winklige Gangster-Treffs, zu poeartigen Raben, explodierenden Autos und steilen Klippen, von denen die Heldin in die tosende Brandung springt. Action, Tempo, schnelle Schnitte und knappe Dialoge, wie in allen Serials dieser Zeit; keinen Deut besser oder schlechter.

Hubbards Pulp-Erzählungen hingegen drehten sich, wie „The Dangerous Dimension“ (1938), schon früh um parapsychologische Begabungen, Überwindung von Raum und Zeit sowie Fernmanipulation. Im Zentrum von „Slaves of Sleep“ (Sklaven des Schlafes, 1948) steht der junge, schüchterne Jan Palmer, der nachts in Paralleluniversen taucht, dort als Held gegen Dämonen kämpft. Als es ihm gelingt, diese Nacht-Dimension in sein Tages-Ich zu integrieren, mutiert er zum Erfolgsmenschen.

Hubbard, wohl bewußt, daß Bescheidenheit im Leben nicht weiterbringt, erklärte sich rückwirkend zum „ungekrönten König“ der Pulpliteratur, stellte sich mit Science-fiction-Klassikern wie John W. Campbell oder Robert Heinlein auf eine Stufe. Science-fiction, das war für ihn scharf abgegrenzt vom Fantasy-Genre mit seinen Mythen, Spiritismen, Magischem und Übernatürlichem. Der Science-fic-
tion-Autor galt ihm als „geistiger Bote“, gab der Menschheit ein „gedankliches Vorbild“ für prinzipiell Machbares: So imaginierten zahlreiche Autoren den Flug zum Mond, bis man diesen Traum schließlich realisierte.

Daraus folgt leider, daß Hubbard seine Sci-fi-Phantasien für grundsätzlich realisierbar hielt, die Grenze zwischen fiktionalen und ideologischen Texten bei ihm fließend verläuft. Tatsächlich experimentierte Hubbard schon während der dreißiger Jahre mit Bewußtseinserweiterung, hielt indirekten Kontakt zu dem britischen Okkultisten, Mystiker und Magier Aleister Crowley. Dessen Roman „Moonchild“ (Mondkind, 1929) erzählt von der Erzeugung eines magischen Kindes. Als Hubbard gemeinsam mit dem Raketenforscher Jack Parson eine reale Mondkind-Kreation plante, soll Crowley in Wut geraten sein. Darüber hinaus lassen sich vielfache Parallelen nachweisen zwischen Crowleys Schriften und Hubbards späterer Ideologie.

Auch seine 1950 verfaßte „Dianetik“ und die darauf basierende Scientology-Bewegung, ein Mix aus Psychotherapie, Reinkarnationsglauben und Spekulationen über Außerirdische, enthält Elemente aus Hubbards Belletristik. Die Person des galaktischen Herrschers Xenu beispielsweise, der vor 75 Millionen Jahren die Entstehung irdischen Lebens manipuliert haben soll und die heutige Menschheit mit Hilfe von Religion und Psychiatrie vom Erkennen ihrer wahren Identität abhält: nämlich Träger einer außerirdischen Thetan-Seele zu sein. Die Xenu-Mythologie fand ihre literarische Verarbeitung in dem (bislang unverfilmten) Drehbuch „Revolt in the Stars“ (1977).

Als Scientology schon fett im Geschäft war, schrieb Hubbard, angeblich zum „eigenen Vergnügen“, den Roman „Battlefield Earth“ (Kampf um die Erde, 1980): Im Jahr 3000 ist die Erde vom totalitären Planeten „Psychlo“ (Anspielung auf die Psychiatrie) versklavt. Die übriggebliebenen Menschen sind überaltert, Kinder werden kaum noch geboren, oder als bucklige, einäugige Mutation: „Die Angst vor Monstern beherrschte das ganze Leben.“ Aber keine Panik, Hubbard läßt aus deren Mitte den rettenden Helden emporwachsen, Jonnie Goodboy (dt: Guterjunge), blond-blauäugig, und „an seinem Handgelenk baumelt eine Keule“. Kurzum, ein arisierter Luke Skywalker mit Assoziationen in Richtung Neandertal.

Im Kontrast dazu schildert der Autor den ersten Auftritt eines Psychlos: „Terl rülpste laut. Nach dem Knigge seiner Rasse galt das als höfliche Methode, um jemanden auf sich aufmerksam zu machen.“ Eine psychisch manipulierte Krieger-„Rasse“, die zuletzt via Genozid ausgelöscht wird ... Der ganze Roman: eine öde Reihung brutal-langweiliger Klischees. Da Hubbard das Science-fiction-Genre als Inspiraton für künftiges Tun verstand, läßt sich nur hoffen, daß sich durch diesen Trash-Roman keiner aufgerufen fühlt.

Der Scientologe John Travolta produzierte eine Verfilmung von „Battlefield Earth“ (2000), die erste Leinwandversion eines Hubbard-Romans, mit sich selbst in der Rolle des Terl. Dieses „Meisterwerk“ wurde achtmal für die Goldene Himbeere nominiert, gewann sie in sieben Kategorien und gilt damit als einer der schlechtesten Filme aller Zeiten. Mag die Jury dieses Anti-Oscar manchmal daneben liegen, hier hat sie recht. Und Hubbard ist nicht nur als Ideologe, sondern auch als Autor fades Mittelmaß, Lichtjahre entfernt von Kollegen wie Manly W. Wellman oder Fritz Leiber. In die Galerie der „Pulp-Master“ gehört er jedenfalls nicht.

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