© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/11 11. März 2011

EuGH-Urteil zur Gleichbehandlung bei Versicherungsverträgen
Preisverschiebung
Jens Jessen

Das Luxemburger Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen wird die Vertragsfreiheit der Versicherer spätestens Ende 2012 auf Null fahren. Risikoäquivalente Beiträge gehören dann der Vergangenheit an. Versicherer müssen geschlechtsneutrale Tarife bieten.

Die private Assekuranz schürt die Furcht, daß die sogenannten Unisex-Tarife teurer werden, da sie nicht so paßgenau sein könnten wie bisher. Sicherheitszuschläge seien nun unabdingbar. Der Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen, Thomas Ballast, jubelt hingegen: „Zunehmend mehr müssen sich private Krankenversicherungen dem Geschäftsmodell der Gesetzlichen Krankenkassen anpassen“. Welche Hybris: Deren Geschäftsmodell schlittert schon seit Jahrzehnten am Rande des Abgrunds und läßt sich nur durch ständig neue Finanzierungsgesetze der wechselnden Regierungen am Leben erhalten. Die Unisex-Tarife werden aber nicht nur die negative Diskriminierung der Frauen beseitigen, sondern auch die positive. Für Auto-, Unfall- und Risikolebensversicherung zahlen sie bisher weniger als die Männer. Die Policen belohnen die längere Lebenserwartung und das vorsichtigere Autofahren der Frauen.

Die Privaten Krankenversicherungen (PKV) werden – wie die Privaten Rentenversicherungen (PRV) – für Frauen günstiger. Bisher betragen die monatlichen Beitragssätze je Versicherter bei Versicherungseintritt mit 30 Jahren 434 Euro und je Versichertem 350 Euro. Und das, obwohl Frauen in der Regel weniger verdienen als Männer.

Für die PRV ist die Prämiendifferenz geringer: 121 Euro pro Monat für Frauen, 114 Euro für Männer. Weil Frauen rund zehn Jahre länger leben als Männer, beziehen sie länger Rente und müssen entsprechend mehr in die Private Rentenversicherung einzahlen, obwohl das Geschlecht nicht allein für die Lebenserwartung ausschlaggebend ist. Die Bildung wurde nie in die Prämienkalkulation einbezogen. Bekannt ist, daß Hochqualifizierte statistisch wesentlich länger leben als Minderqualifizierte. Niemand ist auf die Idee gekommen, höhere Beiträge von den lang lebenden Reichen zu fordern. In den Tarifen der PKV schlägt sich auch nicht nieder, daß das medizinische Angebot in Großstädten weit über dem in der Provinz liegt. Die Behandlungskosten in den Großstädten sind in der Regel höher als in der Peripherie.

Wenn die Unisex-Tarife eingeführt sind, befürchten die PKV-Unternehmen einen Wechsel der weiblichen Versicherten aus dem Bestand in die für sie günstigeren neuen Unisex-Angebote. Finanzvorstand Roland Weber vom Versicherungskonzern Debeka fordert deshalb, die neuen Regeln auch für den Bestand anzuwenden. Überschäumende Begeisterung wird diese Forderung weder bei den Bestandsversicherten noch bei den zuständigen Politikern wecken.

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