© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/11 11. März 2011

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Viel Lärm um nichts
Marcus Schmidt

Am deutlichsten wurde der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat. Wenn der neue Innenminister Streit suche, werde er ihn bekommen, sagte er. Manche Beobachter stellten sich angesichts dieser deftigen Worte bereits bildlich vor, wie Kolat tatsächlich sein Jackett auszieht und die Hemdsärmel hochkrempelt, um für einen handfest ausgetragenen Streit mit Hans-Peter Friedrich (CSU) gerüstet zu sein. Die Äußerungen der Vorsitzenden des liberal-islamischen Bundes, Lamya Kaddor, gingen in eine ähnlich schlagkräftige Richtung. Sie sprach von einer „Ohrfeige ins Gesicht der Muslime“. Was war geschehen? Hatte Friedrich mit einer seiner ersten Amtshandlungen als Innenminister den Moslems in Deutschland die Religionsausübung untersagt? Natürlich nicht. Der CSU-Politiker hatte lediglich seine Auffassung bekräftigt, daß der Islam nicht zu Deutschland gehöre.

Wer die aufgeregten Reaktionen verfolgt hat, könnte zu dem Schluß kommen, hier hat ein konservativer Minister in bester CSU-Tradition gleich zu Beginn eine deutliche Duftmarke gesetzt, hätte wohlüberlegt zu einem gezielten Schlag ausgeholt, um den politischen Gegner zu provozieren und die eigenen Anhänger handstreichartig für sich zu gewinnen.

Ein genauerer Blick auf die Geschehnisse vermittelt ein etwas anderes Bild. Bei seiner Vorstellung vor der Bundespressekonferenz hatte sich Friedrich in der vergangenen Woche alles andere als angriffslustig präsentiert, war nicht als konservativer Hardliner in der Tradition kerniger Innenminister vom Schlage eines Friedrich Zimmermann (CSU) oder eines Manfred Kanther (CDU) aufgetreten. Stattdessen hatte er äußerst vorsichtig agiert und war darauf bedacht, sich möglicht bei keinem Thema festzulegen. 

Und auch die heftig kritisierten Äußerungen zum Islam mußten Friedrich erst von einer Journalistin entlockt werden. Ob er nun als Innenminister weiterhin der Feststellung des Bundespräsidenten widerspreche, daß der Islam zu Deutschland gehöre? Er habe keinen Grund, seine Auffassung zu ändern, sagte Friedrich. „Daß der Islam zu Deutschland gehört, ist eine Tatsache, die sich auch aus der Historie nirgends belegen läßt.“ Das war es dann aber auch schon mit dem konservativen Profil. Sogleich fügte er hinzu, daß die Moslems natürlich zu Deutschland gehörten. Zuvor hatte Friedrich schon wortreich von der Notwendigkeit der Integration gesprochen und davon, wie wichtig der Zusammenhalt in der Gesellschaft sei und daß die Potentiale aller Menschen in Deutschland genutzt werden müßten. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), hätte es nicht besser, nicht blumiger formulieren können.

Am Ende wird Friedrich wohl nicht ganz unglücklich darüber gewesen sein, was der politische Gegner und die Islamverbände im Zusammenspiel mit den Medien aus seinem ansonsten vorsichtigen, tastenden Auftritt vor der Hauptstadtpresse gemacht haben. Der Lärm hat davon abgelenkt, daß Friedrich denkbar unvorbereitet in sein neues Amt gestolpert ist.

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