© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 10/11 04. März 2011 Der Flaneur Welch ein Unterschied doch, durch Löffingen, Bräunlingen, Hüfingen im Schwarzwald-Baar-Kreis zu wandern als durch Penzlin, Stavenhagen und Demmin im spröden Peene-Gebiet zwischen Mecklenburg und Vorpommern. Alter römischer Siedlungsboden statt wendisches Schwemmland, Gretchen-Romantik der Fachwerkgiebel statt Platte, Alemannisch statt Niederdeutsch, öfter mal Wein statt Bier. Ich hatte mich in meiner norddeutschen Heimat seelisch festgefahren und mußte raus aus den Nebelbänken. Diagonal durch die Republik schafft man es an einem Tag, wenn man für den knallharten Darwinismus der Autobahnen noch fit genug ist. Dann ist man im Ländle, wo es früher Frühling wird und wo die Leut immer so zugänglich scheinen, passend zu ihrer lieblichen Gegend. Spießergegend? Vielleicht im Sinne einer deutschen Provinz, die sich ihre Kleingliedrigkeit trotz Reichsdeputationshauptschluß von 1803 und dem Wirrsal der folgenden Jahrhunderte bewahrt hat. Was mal freie Reichsstadt war, ist mindestens noch kulturell intakt, die Bausubstanz ebenso wie die Vereine, die das Erbe der Korporationen antraten. Die Gegend wurde vom Krieg getroffen, aber nicht ausradiert. Es gibt sichtlich weniger harte Brüche. In den Gewerbegebieten existiert sogar Gewerbe, meist mittelständische Zulieferindustrie, die sich offenbar bürgerliche Tugenden zu bewahren verstand und für ihre Arbeiter sorgt. Selbst die Supermarkt-Angestellten erscheinen einem verklärend? freundlicher. Es gibt Rabatt, wenn man vom Käse ein Randstück nimmt. Keiner Käseverkäuferin im Norden fiele das ein! Als ich nach einer Schleife Skilanglauf rastete, war das Stück Flammkuchen so riesig, daß ich den versammelten Alterssportlern davon abgab. Sie zierten sich nicht, denn so günschtig hätten sies noch nie ghätt. Aus Mecklenburg? Ach so! Und sie wiegten bedenklich die Köpfe. |