© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/11 04. März 2011

Haltungsnote
Geteilte Jungfußballerherzen
Christian Schwiesselmann

Mit welchen Problemen offene Gesellschaften im Zeitalter globaler Freizügigkeit zu kämpfen haben, läßt sich immer wieder am Fußballsport ablesen. Mittlerweile gibt es eine ganze Generation von „Deutsch-Türken“, die – in ihrer binationalen Hybrid-Identität gefangen – im wahrsten Sinne des Wortes „zwei Herzen in ihrer Brust“ spüren. Ein anschauliches Beispiel dafür bietet der 20jährige Nachwuchsfußballer Ilkay Gündogan. Nachdem sich der Mittelfeldspieler des 1. FC Nürnberg für die deutsche statt für die türkische Nationalmannschaft entschieden hatte, kochten die Emotionen hoch.

Wie sein Vorbild Mesut Özil mußte sich das Fußballtalent von seinen türkischen Landsleuten Beleidigungen anhören, bei denen eigentlich der Halbmond vor Scham untergehen sollte: „Ich wurde im Internet und auf der Straße von Fremden als Verräter beleidigt. Es waren auch schlimmere Sachen dabei.“ Bei Facebook warnten Gündogan sogar einige Türken davor, auch nur einen Schritt in die Heimat seiner Eltern zu setzen. „Das ist nicht mehr harmlos“, empört sich der gebürtige Gelsenkirchner über die gelebte anatolische Solidarität in der Welt. Was die türkische Seele noch kränkt, läßt den Durchschnittseuropäer kalt, endet die Vaterlandsliebe von Fußballspielern doch regelmäßig bei den Lockprämien von Real Madrid.

Gündogans Fall verdeutlicht, daß man sich pro patria entscheiden muß, will man nicht schizophren werden. Der Abiturient hat dies getan: „Ich habe große Sympathien für die Türkei, ich fühle mich aber wie ein Deutscher und lebe wie ein Deutscher. Meine Art, Fußball zu spielen, ist von der deutschen Ausbildung geprägt, von deutschen Tugenden, wie es oft heißt.“ Deshalb könne er nicht für ein anderes Land spielen. So sieht gelungene Integration aus.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen