© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/11 04. März 2011

Brachliegende Staatsknete für den Gedächtnispark
Bewährtes aus der Bewältigungsindustrie: Eine ausgebremste Kieler Affäre und ungenutzte 200 Millionen Euro für NS-Gedenkstätten
Philipp Krüger

Kurz bevor die „Fußnoten“-Affäre Verteidigungsminister zu Guttenberg heimsuchte, geriet Arne Wulff, Leiter der Kieler Staatskanzlei des Ministerpräsidenten Peter Harry Carstensen (CDU), ebenfalls wegen seiner Doktorarbeit in die Schlagzeilen. Da es sich jedoch lediglich um einen „Prominenten der C-Klasse“ (Erich Maletzke, Schleswig-Holsteinische Landeszeitung vom 19. Februar) handelte, war diese versuchte Skandalisierung rasch abgetan.

Trotzdem taugt der „Fall Wulff“ als Lehrstück. Wirft er doch ein grelles Schlaglicht auf den Ungeist der „Bewältigungsindustrie“. Klaus Bästlein, Mitarbeiter des Berliner Landesbeauftragten für das Stasi-Erbe, hatte Wulffs Kieler Dissertation (1991) über den kurzzeitigen kommissarischen Reichsjustizminister Franz Schlegelberger (1876–1970) als „apologetisch“ denunziert und ihm wegen dieser zwanzig Jahre alten Arbeit die „moralische“ Eignung abgesprochen, Carstensens Staatskanzlei vorzustehen (Schleswig-Holsteinische Anzeigen, 1/2011). Der Eiferer Bästlein als Mittvierziger mit einer gedankenarmen Stoffhuberei über den Stasi-Chef Erich Mielke von seinem langjährigen Vorgesetzten Peter Steinbach an der FU Berlin großzügig zum Dr. phil. promoviert, schlägt erwartungsgemäß den Bogen von Wulffs „Parteinahme für Schlegelberger“ zum geschichtspolitischen „Sonderfall“ Schleswig-Holstein.

Habe das Land doch von den üppigen 200 Millionen Euro Steuergeldern, die der Bund allein seit 2000 für „Gedenkstätten zum Nationalsozialismus“ zur Verfügung stellte, bis heute keinen Cent abgerufen. Offenbar werde eine „kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus nicht gewünscht“. Um daher endlich bewältigungsathletisch aufzuholen und den Nordelbiern eine stramm PC-konforme, also latent totalitäre „politische Kultur“ zu verpassen, in der Leute mit abweichenden Ansichten wie Arne Wulff „keine hohen Staatsämter einnehmen“ dürfen, sei zwischen den Meeren schleunigst eine „Gedenkstätte“ zu installieren.

Abgesehen davon, daß derartig delirierende Gesinnungswächterei darauf hindeutet, wie schlecht Bästlein die intensive Beschäftigung mit Erich Mielke verdaut hat, kommt in dieser DDR-light-Vision natürlich auch das eigene Interesse nicht zu kurz. Denn die „Gedenkstätte“, und bei einer soll es vermutlich nicht bleiben, muß selbstredend „von Fachleuten betreut“ werden. Das klingt nicht nur nach einem Aufruf zur Stellenausschreibung, das ist auch einer. Das Rezept ist dabei so simpel wie das der „Kampf-gegen-Rechts“-Agitation.  Um „Staatsknete“ abzockend die eigene Geschichtsideologie zu betonieren, benötigt man nur einen aufzukochenden „Fall“ wie Wulff oder irgendeine Straße, Schule, Kaserne mit „belastetem“ Namen, gut tremolierte Entrüstung, geneigte Medien zwecks „Skandalisierung“ und eine historisch bewußtlose, beliebig einzuschüchternde politische Klasse. Eine Gedenkstätte ist dann oft schneller zur Hand als ein Fertighaus.

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