© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/11 04. März 2011

Lockerungsübungen
Diktatur der Finanzexperten
Karl Heinzen

Seit der Einführung des Euro hat es zwischen den Staaten, die durch die Gemeinschaftswährung geeint sind, keinen Krieg gegeben. Die Hoffnungen, die insbesondere Altbundeskanzler Helmut Kohl mit ihm verknüpft haben soll, sind somit Wirklichkeit geworden. Mehr noch: Auch jene Mitgliedsstaaten der in diesem Zeitraum zügig gewachsenen Europäischen Union, die weiterhin mit ihren überkommenen nationalen Währungen leben mußten, durften am Frieden, den der Euro brachte, teilhaben.

Stabilität hat aber ihren Preis, und es kann nicht als unfair angesehen werden, daß dieser nicht für alle der gleiche ist. Insbesondere für unser Land, das im vergangenen Jahrhundert den Ersten Weltkrieg maßgeblich und den Zweiten ganz zu verantworten hat, versteht es sich von selbst, daß die Investitionen in den Frieden etwas höher auszufallen haben als in jenen Staaten, die einst seine Opfer gewesen sind. Dies heißt natürlich nicht, daß man es hier gänzlich an Preisbewußtsein mangeln lassen sollte. So wie in der Kriegführung ist auch bei der Gestaltung des Friedens auf die Kosten zu achten. Hier wie dort müssen Aufwand und Nutzen in einem vernünftigen Verhältnis zueinander stehen. Allerdings ist es peinlich und riskant, wenn in der Detailfrage, welche Beträge unter welchen Auflagen in Not geratenen Partnerstaaten zur Finanzierung von Haushaltsdefiziten zur Verfügung gestellt werden sollen, das Schachern einsetzt und außer Betracht gelassen wird, daß die Einführung des Euro eine politisch gebotene, aber keine wirtschaftlich begründbare Entscheidung war.

Ökonomen sollte daher auch jetzt nicht Gehör geschenkt werden. Insbesondere ist ihre gebetsmühlenartig vorgetragene Forderung zurückzuweisen, in der Euro-Zone die Einhaltung sogenannter Stabilitätskriterien dadurch sicherzustellen, daß man sie der politischen Einflußnahme entzieht und bei Verstößen einen Sanktionsautomatismus blind walten läßt. Dies ist nichts anderes als eine Absage an den Geist der europäischen Demokratie. Seit jeher ist es das Privileg der Parlamente, daß die gewählten Volksvertreter den Haushalt ihres Staates verabschieden. Dies schließt das Recht ein, die Aufnahme von Staatsschulden zur Deckung von Defiziten zu beschließen. Ihnen dieses Recht streitig zu machen, ist nichts anderes als das verkappte Plädoyer für eine Diktatur selbsternannter Finanzexperten.

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