© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/11 04. März 2011

DVD: Voodoo
Von Göttern geritten
Werner Olles

Zahlreiche Spielfilme befassen sich mehr oder weniger originell mit der Faszination am Voodoo-Kult, doch an einen Dokumentarfilm ohne die üblichen Klischees hatte sich bislang noch niemand gewagt. Kaum jemand schien dafür besser geeignet als der Ethnologe und Journalist Henning Christoph, dessen gemeinsam mit Hans Oberländer verfaßter Bildband „Voodoo – Geheime Macht in Afrika“ (1995) nun die Vorlage für seinen Dokumentarfilm „Voodoo – Die Kraft des Heilens“ (2009) darstellt.

Seit mehr als 25 Jahren beschäftigt sich der Regisseur mit dem Phänomen des Voodoo. Im westafrikanischen Benin, dem Mutterland des Kultes, gelang es ihm in mühevoller Kleinarbeit, zu den Ursprüngen dieser animistischen Naturreligion vorzudringen und ihre verschiedenen Aspekte, die Außenstehenden weitgehend verschlossen bleiben, zu dokumentieren. Seine hervorragenden Kontakte ermöglichten es ihm, mit der Kamera Rituale zu begleiten, die zuvor noch nie gefilmt wurden. Er wurde Augenzeuge von Zeremonien, bei denen die Voodoosi durch Musik und Tanz in Trance geraten und kosmische Visionen haben, und er sprach mit Heilern, die mit geheimnisvollen Kräutern und Ritualen, die für unsere Begriffe mit abstoßenden Blutopfern verbunden sind, Krankheiten wie Malaria und Aids bekämpfen. Dabei mag man dem Regisseur eine zu geringe Distanz zu dem Gezeigten vorwerfen, andererseits verschweigt er auch nicht die schwarze Seite des Voodoo – Hexen und Zauberer.

In Benin ist Voodoo zusammen mit Christentum und Islam eine anerkannte Religion. Allein in Westafrika bekennen sich über 50 Millionen Menschen dazu, doch wird Voodoo – verändert durch lokale Besonderheiten – auch in Haiti und als Santeria auf Kuba, als Obeah in Jamaika, als Macumba, Umbanda oder Candomblé im katholischen Brasilien und als Hoodoo im Süden der USA und in den Schwarzenvierteln von New York, Miami und Los Angeles praktiziert.

Die Voodoosi glauben, daß die Natur und die Naturkräfte von Göttern und Geistern beseelt sind, und daß man in ekstatischem Zustand, etwa in tiefer Trance, Kontakt mit ihnen aufnehmen kann. Im Voodoo gilt dieser besondere Seins-Zustand – während dem die Tänzer von den Göttern „geritten“ werden – als Glück und große Ehre. Aus christlicher Sicht sind es allerdings Dämonen, die dabei von den Adepten Besitz ergreifen und die Besessenheitszustände sind keine mystischen Ekstasen, sondern dämonische Enstasen.

Wenn Christoph schließlich bei einem Ritual filmen darf, bei dem ein Voodoosi mit einem Schrotgewehr auf einen Mann schießt, und dieser anschließend völlig unverletzt aufsteht, während andere ohne schädliche Auswirkungen große Glasscherben schlucken, oder ein Adept sich in Trance ein Messer durch den Kopf stößt, aber nach der Zeremonie normal nach Hause geht, und ein junges Mädchen in Kräuter und Tücher eingewickelt über zwei Stunden mehrere Meter tief eingegraben wird und danach geheilt und quicklebendig wieder aus ihrem Grab geholt wird und sich an nichts erinnern kann, spätestens dann fühlt man sich hineingezogen in uralte Voodoo-Mythen und erlebt Afrikas magische Kraft als eine faszinierende Reise in eine unbekannte Welt des Antirationalen und Übersinnlichen.

Als Bonus enthält die DVD eine Fotogalerie, ein Interview mit dem Regisseur und einen Audiokommentar von Henning Christoph.

DVD: Voodoo – Die Kraft des Heilens. Alive/Alamode Film/ATMedien, Bonn 2010, Laufzeit etwa 70 Minuten

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen