© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/11 04. März 2011

Die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen
Euro-Krise II: Deutsche Volkswirte starten Aufruf gegen Pläne der Bundesregierung / Streit um Zahlenwerk
Marco Meng

Seit Beginn der Finanz- und Eurokrise werden in Nacht-und-Nebel-Aktionen Milliarden für insolvente Banken und Euro-Staaten bewilligt. Die Mehrheit der deutschen Volkswirte war in dieser Zeit dennoch sehr zurückhaltend. Der von Finanzlobby und Bundesregierung gelieferten Begründung („alternativlos“) wurde selten öffentlich vernehmbar widersprochen.

Doch mit dem angekündigten dauerhaften Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) scheint das Ende der Geduld erreicht: 190 Volkswirtschaftsprofessoren (mehr als 90 Prozent der deutschen VWL-Hochschullehrer) haben sich im Februar an die Öffentlichkeit gewandt und einen Aufruf gegen die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms unterzeichnet. Das Bündnis „Plenum der Ökonomen“ lehnt den EFSM als Mittel gegen die europäische Finanzkrise ab. Nur acht Professoren waren anderer Auffassung, elf unentschieden. Als Schutz vor maßloser Schuldenpolitik müsse den defizitären Euro-Staaten künftig auch die Pleite drohen. Die EU dürfe nicht alle Ausfallrisiken absichern, da das „zur Fortsetzung unsolider Schuldenpolitik“ geradezu einlade.

Und die Zeit drängt, denn auf dem EU-Gipfel im März soll der EFSM (der ab 2013 den Rettungsfonds EFSF ablösen soll) endgültig beschlossen werden. Anleihen von Problemstaaten sollen aufgekauft oder es den in Bedrängnis geratenen Staaten über zinsgünstige Kredite ermöglicht werden, diese Schuldtitel am Markt zurückzukaufen – womit alle gegenteiligen Versprechen bei der Einführung des Euro vollends über Bord geworfen werden. Griechenland steht spätestens 2013 wieder am Rande der Pleite, denn dann läuft das 110-Milliarden-Euro-Hilfspaket von 2010 aus. Der EFSM wird teuer. Die Garantieleistung Deutschlands ist mit 27,13 Prozent die größte, Frankreich folgt mit 20,38 Prozent – so die Theorie. Doch ob Spanien tatsächlich 11,90 Prozent zum EFSM beitragen kann, ist zweifelhaft. Das Land gehört mit Portugal oder Italien zu den potentiellen Hilfebedürftigen.

Kritisiert werden die Interventionen der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Volkswirte plädieren für die Möglichkeit einer Staatsinsolvenz mit anschließender Umschuldung: „Dabei ist es von zentraler Bedeutung, daß auch private Gläubiger zumindest auf einen Teil ihrer Forderungen gegenüber Schuldnerstaaten verzichten müssen. Dagegen führen dauerhafte Rettungsmechanismen, die Staatsinsolvenz und Umschuldung ausschließen, zu einer ungerechtfertigten Umverteilung von den Steuerzahlern der solventen Euroländer zu den Gläubigern der Schuldnerstaaten“, heißt es in dem Aufruf.

„Niemand kann heute absehen, ob die betroffenen Staaten die Kraft aufbringen werden, die durch die europäischen Rettungsmechanismen noch weiter gesteigerte Verschuldung zu tilgen. Wir fordern daher die Bundesregierung auf, für den Fall des Scheiterns des Europäischen Rettungsschirms Vorsorge zu treffen und – gemeinsam mit den europäischen Partnerstaaten – unverzüglich einen detaillierten Insolvenzplan für überschuldete Euro-Mitgliedstaaten auszuarbeiten.“

Der Streit, ob die Kapazität des gesamten Rettungsschirms von EU, Euro-Staaten und IWF 484 Milliarden Euro oder 552 Milliarden Euro beträgt, ist nur eine Frage der Berechnungsansätze. Kritikwürdig ist eher die Scheu des „Plenums der Ökonomen“, auch eine geordnete Auflösung der Euro-Zone bzw. wenigstens den Austritt einiger Staaten aus dem Währungsverbund ins Auge zu fassen. Da scheint es weiter eine Art „Denkverbot“ zu geben.

Der Aufruf der deutschen VWL-Professoren: www.wiso.uni-hamburg.de

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