© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/11 04. März 2011

Vorsorge sieht anders aus
Illegale Einwanderung: Flüchtlingsströme in Nordafrika setzen die EU unter Druck - Rettungsanker Frontex
Curd-Torsten Weick

Noch vor einiger Zeit träumten die Verantwortlichen in der EU von der Auslagerung illegaler Flüchtlinge nach Nordafrika. Auffang- und Abschiebelager in Libyen, Tunesien, Marokko und Algerien sollten zum Schutz und zur Entlastung Europas installiert werden. Das ist nun Schnee von gestern.

Angesichts der blutigen Auseinandersetzungen in Libyen sind Hunderttausende auf der Flucht nach Ägypten oder Tunesien. Die Lage in den etwa ein Dutzend libyschen Gefangenenlagern für afrikanische Flüchtlinge, in denen über 50.000 Menschen vermutet werden, ist verworren. Hinzu kommen die auf über eine Million geschätzten illegalen Migranten aus Eritrea, Ghana oder Nigeria, die sich innerhalb Libyens aufhalten sollen und auf den Sprung nach Norden sind.

Der jahrelange Kampf der EU gegen die illegale Einwanderung aus Afrika steht auf dem Spiel. Zwar hält man sich vor allem im Norden mit Alarmismus zurück, doch allein die Tatsache, daß die EU-Kommission noch Tage nach den ersten Unruhen mit Vertretern des Gaddafi-Regimes über ein Rücknahmeabkommen verhandelte, gibt Aufschluß über die Dringlichkeit der Problematik.

Hinter den Kulissen wird in Brüssel fieberhaft daran gearbeitet, wenigstens etwas Vorsorge zu treffen. So soll der Einsatz der europäischen Grenzschutzagentur Frontex an der griechisch-türkischen Grenze (JF 48/10) verlängert werden. Parallel hierzu haben die Innenminister der EU-Staaten vergangene Woche ein Rücknahmeabkommen mit der Türkei beschlossen. Demnach soll sich Ankara dazu verpflichten, in Zukunft illegale Einwanderer, die über die Türkei in die Europäische Union gelangt sind, zurückzunehmen.

Seit langem gilt die Türkei als Haupttransitland für Migranten aus Asien und Afrika, sieht sich aber nicht dazu verpflichtet, sie auch wieder zurückzunehmen. Das Problem hierbei: Ankara muß dem Abkommen noch zustimmen und hat etwaige Zusagen mit einem Entgegenkommen der EU bei der Visafrage verknüpft.

Entsprechend setzt die EU alle Hoffnungen auf den Einsatz der Frontex im Mittelmeer. Unter Führung Italiens und ausgerüstet mit knapp einem Dutzend  Flugzeugen, Booten und 50 Polizeibeamten – darunter zwei Beamte aus Deutschland – soll die Ende Februar gestartete Operation „Hermes“ Bootsflüchtlinge aufspüren und zurückführen. Für viele Experten, wie den Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, ist dies allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Foto: Illegale Einwanderer auf Lampedusa: Nach Ankunft von 7.000 Migranten ließen die italienischen Behörden den humanitären Notstand ausrufen

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