© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/11 04. März 2011

Mein Kollege, der Linksextremist
„Kampf gegen Rechts“: Der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Führungsspitze haben wenig Berührungsängste mit der extremen Linken
Hinrich Rohbohm

Anfang vergangenen Jahres geriet Michael Sommer auf der Neujahrspressekonferenz des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aus der Fassung. Der Grund: Das Bundesfamilienministerium hatte angekündigt, neben dem Kampf gegen Rechtsextremismus künftig auch Mittel für die Bekämpfung von Islamismus und Linksextremismus zur Verfügung zu stellen.

Der DGB-Chef lehnte das energisch ab, verweigerte Familienministerin Kristina Schröder (CDU) gar die Einladung zu einem Gespräch. Zudem forderte der 59jährige daraufhin, dem Ministerium die Kompetenz für Extremismusbekämpfung ganz zu entziehen und an das Bundesinnenministerium abzugeben. „Das ist ein hochbrisantes Thema für mich“, hatte Sommer damals gesagt.

Wie wahr. Denn der Gewerkschaftsboß weist selbst eine einschlägige linksextreme Vergangenheit auf. Der Stipendiat der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung war von 1977 bis 1979 Mitglied in der Hochschulgruppe der Sozialistischen Einheitspartei Westdeutschlands (SEW). Die SEW war eine kommunistische Partei, die eng mit der DKP verbunden und von der SED gesteuert wurde. Im auf der Internetseite des DGB veröffentlichten Lebenslauf Sommers, der erst vor einem halben Jahr zum Präsidenten des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) gewählt wurde, bleiben derlei pikante Details seiner Vita allerdings unerwähnt.

Die linksextreme Vergangenheit Sommers ist jedoch nur ein Grund für den ungewöhnlich scharfen Widerstand des DGB gegen die Familienministerin. Denn die 6,26 Millionen Mitglieder zählende Massenorganisation hat sich statt der verstärkten Interessenwahrnehmung von Arbeitnehmern zunehmend dem „Kampf gegen Rechts“ verschrieben. Ein Vorhaben, daß vom Schröder-Ministerium jährlich mit 24 Millionen Euro gefördert wird.

Ein Besuch im Besenbinderhof in Hamburg, dem norddeutschen Hauptquartier des DGB, gibt Aufschlüsse darüber, wie die Gewerkschaften zum einen über Umwege finanzielle Fördermittel „gegen Rechts“ vom Familienministerium erhalten, es gleichzeitig aber an kritischer Distanz zu linksextremen Organisationen vermissen lassen. Im zehnten Stock des Gewerkschaftsgebäudes ist die IG Metall (IGM) untergebracht. Ein langer schmaler Korridor führt durch die Etage, links und rechts zweigen Büroräume ab. In einem sitzt Kristin Bruder, Mitglied des Jugendteams der IGM.

An der Wand gleich links neben ihrer Tür zum Arbeitszimmer prangt ein großes weißes Transparent. „Kein Bock auf Nazis“ steht darauf geschrieben. „Scheint die Sonne auch für Nazis? Wenn’s nach mir geht, tut sie’s nicht!“ heißt es weiter. Die Frage nach Material über Rechtsextremismus führt schnell zum Erfolg. Bruder geht zu einem alten graumetallenen Aktenschrank gegenüber ihrem Schreibtisch. Sie kramt Aufkleber hervor. Broschüren. Flugblätter. Auch eine DVD des von der Punkgruppe ZSK initiierten Projekts „Kein Bock auf Nazis“ ist dabei, deren Herstellung neben linksradikalen Organisationen (siehe Infokasten) von Gewerkschaftsorganisationen wie Verdi, der IG Metall-Jugend, der Verdi-Jugend Niedersachsen/Bremen sowie dem Bildungs- und Förderungswerk der GEW im DGB e.V. ermöglicht wurde.

Auf einem Aufkleber der IG Metall-Jugend heißt es zudem: „Vorsicht Falle – Keine Stimme alten und neuen Nazis“. Abgebildet ist ein Hakenkreuz in einer Mausefalle. Direkt über dem Hakenkreuz sind Parteien benannt. NPD, DVU. Und die Republikaner, die längst nicht mehr im Verfassungsschutzbericht aufgeführt werden.

Gestaltet wurde der Aufkleber von der Firma „kus-design“ in Mannheim, die von dem politischen Liedermacher Bernd Köhler und Barbara Straube betrieben wird. Beide weisen eine starke Nähe zur kommunistischen DKP auf. Köhler unterstützte bereits 1976 den Kommunalwahlkampf der Partei in Mannheim. Im vergangenen Jahr trat er mit seiner Band „Elektronisches Weltorchester“ bei einer sogenannten LLL-Veranstaltung (Lenin-Liebknecht-Luxemburg) der DKP auf, während sich Barbara Straube offenbar auch als Fotografin für das Propagandaorgan Unsere Zeit betätigt.

„Wir machen auch Seminare gegen Rechtsextremismus“, erzählt Kristin Bruder weiter. Diese seien aber nur für Gewerkschaftsmitglieder. „Die bezahlen das ja schließlich auch mit ihren Beiträgen“, verrät sie.  Mehr zum Kampf gegen Rechts wisse man im Jugendbildungsbüro des DGB,  zwei Stockwerke tiefer, meint Bruder.

Dort sitzt der DGB-Jugendsekretär Nord, Heiko Groepler. „Da verweise ich sie am besten gleich mal an die Profis“, sagt der. Mit den Profis meint
Groepler das sogenannte Mobile Beratungsteam, das sich ebenfalls im Gewerkschaftshaus im Besenbinderhof 60, nur wenige Arbeitszimmer von dem Gewerkschaftsfunktionär befindet. Das Beratungsteam ist eine sogenannte „Koordinierungsstelle“, deren Träger der Verein „Arbeit und Leben“ sowie die DGB-Jugend ist. Der Verein „Arbeit und Leben“ wiederum wurde vom DGB  sowie den Volkshochschulen ins Leben gerufen.

Das Mobile Beratungsteam fungiere als zentrale Anlaufstelle für eine sogenannte „Erstberatung“ gegen Rechtsextremismus. „Sie haben Hakenkreuzschmierereien gefunden oder antisemitische Parolen gehört? Ihr Kind hat Kontakt zu Neonazis? Sie fühlen sich von Rechtsextremen belästigt oder bedroht? Sie wollen dagegen etwas unternehmen, wissen aber nicht wie? Das Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus und das Mobile Beratungsteam bieten Ihnen Hilfe!“ heißt es im Internet. Nicht etwa bei „Arbeit und Leben“ oder dem DGB, sondern auf der Netzseite der Freien und Hansestadt Hamburg. Mit anderen Worten: Hamburgs Bürger werden über „Arbeit und Leben“ auf indirektem Wege behördlich an den DGB verwiesen und beraten.

Was „Arbeit und Leben“ so unter „Beratung“ versteht, ist ebenfalls aufschlußreich. In einer von dem Verein herausgegebenen Broschüre namens „Recht gegen Rechts“ werden dem Bürger Kontaktadressen für weitere Informationen genannt, darunter zahlreiche einschlägig bekannte linksextremistische Organisationen wie die DKP-nahe Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA), die eng mit der DKP verflochtene Antifa-Zeitschrift Der rechte Rand oder die aufgrund ihrer gehäuften Verweise auf linksextreme Bewegungen ins Gerede gekommene SPD-Internetplattform  „Blick nach Rechts“.

Darüber hinaus preist der Verein dem Leser eine „Auswahl antifaschistischer Websites“ an. Etwa die Netzseite Nadir, ein Informationsportal, das Verfassungsschützer 2004 als „das älteste linksextremistische Portal“ bezeichneten. Durch das Bundesprogramm „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ wird das „Mobile Beratungsteam“ zudem vom Bundesfamilienministerium gefördert.

Die zahlreichen Verquickungen mit linksradikalen Organisationen kommen nicht von ungefähr. Denn außer DGB-Chef Michael Sommer weisen eine Reihe weiterer hoher Gewerkschaftsfunktionäre eine linksextreme Vergangenheit auf. So etwa IG Metall-Bundesvorsitzender Berthold Huber. Der gelernte Werkzeugmacher aus Ulm war laut unwidersprochener Aussage des Vorsitzenden der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands (MLPD), Stefan Engel, bis 1979 Mitglied im Kommunistischen Arbeiterbund Deutschlands (KABD), einer Vorläuferorganisation der MLPD. Im Gegensatz zu Sommer macht Huber aus seiner Vergangenheit keinen Hehl. „Ja, ich war in kommunistischen Gruppen“, gab er erst kürzlich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung unumwunden zu. Und schob nach: „Ich wollte die Weltrevolution, das ist doch klar.“

Das langjährige SED-Mitglied Eva-Maria Stange fungierte von 1997 bis 2005 als GEW-Bundesvorsitzende, ehe sie von Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) 2006 zur Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst in Sachsen ernannt wurde. Und ihr Nachfolger als GEW-Chef, Ulrich Thöne, machte im Sommer 2006 weniger mit Forderungen für seine Mitglieder von sich reden als vielmehr damit, daß er während der Fußball-Weltmeisterschaft öffentlich die Meinung vertrat, die deutsche Nationalhymne transportiere „eine Stimmung des Nationalismus und der deutschen Leitkultur“.

Zu erwähnen ist auch der Vorsitzende des Hauptpersonalrates der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Sven Hüber. Hüber ist ehemaliger Politoffizier der DDR-Grenztruppen im Ost-Berliner Regiment 33 und war für die Führung und Indoktrination der NVA-Soldaten zuständig. Vor Gericht behauptete er, er habe „nur FDJ-Arbeit“ absolviert und daß dies „unsere Kanzlerin auch gemacht“ habe. Der 46jährige versucht derzeit gerichtlich verbieten zu lassen, daß über ihn im Zusammenhang mit dem Tod des letzten Maueropfers, Chris Gueffroy, berichtet wird. Dabei soll er laut Süddeutscher Zeitung sogar mit Geldern der GdP unterstützt worden sein.  In seiner Funktion als Vorsitzender des Hauptpersonalrates entscheidet er nach wie vor unter anderem darüber mit, wer in den höheren Polizeivollzugsdienst aufsteigt.

Gleichzeitig nimmt der Unmut an der Gewerkschaftsbasis stetig zu. Allein die Mitgliederzahl beim DGB ist in den vergangenen Jahren dramatisch gesunken. Waren nach der Wiedervereinigung noch fast zwölf Millionen Menschen DGB-Mitglied, so sind es heute gerade mal noch die Hälfte. Konfrontiert mit einer „Kampf gegen Rechts“-Broschüre der IG Metall, reagieren einfache Gewerkschaftsmitglieder mit Kopfschütteln und Unverständnis. „Die sollen lieber anständig für unsere Löhne kämpfen, statt so einen Firlefanz anzufangen“, sagt ein IG-Metaller. Und auch ein „frustriertes Verdi-Mitglied“ zeigt wenig Verständnis. „Manchmal habe ich das Gefühl, die setzen sich mehr für ihr eigenes Wohl ein als für uns“, meint der Mann. „Die Stimmung ist zwar im Moment nicht ganz so schlecht, aber haben wir nicht andere Sorgen als so etwas?“ meint hingegen ein 45 Jahre alter, bereits aus der Gewerkschaft ausgetretener Arbeitnehmer. Und fügt hinzu: „Kein Bock auf Nazis? Kann ich unterschreiben. Aber Bock auf Gewerkschaft hab ich auch nicht mehr.“

 

Aktion „Kein Bock auf Nazis“

Hinter dem Spruch „Kein Bock auf Nazis“  verbirgt sich eine Initiative der linksradikalen Punkband ZSK, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus richten soll. Als Logo der Musikgruppe dient ein schwarzer Stern. Das Symbol wird in anarchistischen Kreisen oft als Erkennungszeichen verwendet.

„Kein Bock auf Nazis“ wird von mehreren linksradikalen Organisationen unterstützt. So etwa von der der Linkspartei nahestehenden Rosa-Luxemburg-Stiftung, dem im Jahr 2002 vom Verfassungsschutz in Baden-Württemberg als linksextreme Publikation aufgeführten Antifaschistischen Infoblatt und dem Antifaschistischen Pressearchiv und Bildungszentrum.

Darüber hinaus zählen zahlreiche Musikgruppen wie etwa „Die Ärzte“,  „Die Toten Hosen“, „Fettes Brot“ oder „Wir sind Helden“ zu den Unterstützern des Projekts.

In den kommenden Jahren plane man, eine „Kein Bock auf Nazis“-Broschüre zu erstellen, die mit einer Auflage von 250.000 Stück kostenlos an Schulen, Jugendclubs und auf Demonstrationen verteilt werden soll.  Darüber hinaus haben die Initiatoren eine sogenannte „Schülerzeitung“ herausgegeben, von deren Erstausgabe eigenen Angaben zufolge mehr als 500.000 Exemplare verteilt worden sein sollen. Eine Ausgabe sei inzwischen mit einer Auflage von 250.000 Stück erschienen.

Außer „zahlreichen Tipps, wie SchülerInnen aktiv gegen rechts werden können, werden viele antifaschistische Initiativen und Projekte vorgestellt.“  Die Initiative beabsichtigt zudem, die Texte der Zeitung auch „regulären SchülerInnenzeitungen als Beiträge zum Abdrucken anzubieten“.

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