© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/11 25. Februar 2011

Lob der Schizophrenie
Eine Podiumsdiskussion über schwule Moslems
Christian Dorn

Mythos Aufklärung – Wie aufgeklärt sind wir wirklich?“ lautet die leitmotivische Fragestellung einer Veranstaltungsreihe der Schaubühne Berlin. Die jüngste Podiumsdiskussion stand unter dem konfliktreichen Titel „Muslime und Homosexualität – oder die doppelte Diskriminierung“ – und war eine absurde Einübung in Wirklichkeitsflucht.

So bemühten sich die Diskutanten redlich, den Kern der Thematik auszusparen. Weder wurden Beispiele der betroffenen Milieus vorgestellt, noch Zahlen über die vermutete Größe der entsprechenden Gruppe genannt. Selbst die in der Ankündigung angesprochenen Fragen blieben weitgehend unbeantwortet: etwa die nach der Beziehung von schwulen Muslimen zu nichtmuslimischen Homosexuellen oder jene nach dem Ursprung der Konflikte, ob sich diese an dem Begriff der Ehre entzünden oder „ihren Ursprung lediglich in patriarchalen Strukturen“ haben – als ob das eine mit dem anderen nichts zu tun hätte!

Rücksicht auf das Milieu der Migranten

Am interessantesten war noch das von dem Grünen-Politiker und Schwulen-Lobbyisten Volker Beck vorgetragene Beispiel eines unvermuteten Schulterschlusses. So habe im Bundestag ein Sachverständiger der CDU die Gleichstellung hinsichtlich der sexuellen Orientierung abgelehnt mit dem Hinweis, daß man auf das Milieu der Migranten Rücksicht nehmen müsse. Wohl zu Recht unterstellte Beck hier eine Instrumentalisierung, ginge es doch in Wirklichkeit darum, konservative Wähler nicht zu verschrecken. Auch habe man zu lange darauf verzichtet, die muslimische Homophobie zu benennen, um dem Gegner keine Munition zu liefern.

Daß diese Abwehrhaltung nicht Geschichte ist, belegten die Äußerungen von Maria do Mar Castro Varela, die in Berlin eine Professur für Gender und Queer Studies bekleidet. Sie nannte entsprechende Befragungen von „Maneo“, eines schwulen Anti-Gewalt-Projekts, „höchst problematisch“, weil dadurch „Stereotype“ konstruiert würden. Mit der Journalistin Hilal Sezgin war sie sich einig, daß es für schwule Muslime, die der Familie die eigene sexuelle Orientierung verschweigen, bei doppelter Lebensführung höhere Lebensqualität bedeute.

Dieses Lob der Schizophrenie war dann selbst der Moderatorin Carolin Emcke zuviel des Relativismus. Als Replik hierauf kündigte sie an, die nächste Veranstaltung unter den Titel „Das Glück der Lüge“ zu stellen. Natürlich war das Ironie.

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