© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  09/11 25. Februar 2011

Mit Pauken und Trompeten gescheitert
Hamburg: Die CDU zahlt für das schwarz-grüne Experiment einen hohen Preis
Sverre Schacht

Die Hamburger SPD kann ihr Glück kaum fassen: Die Hamburger bescherten ihr am Sonntag die absolute Mehrheit und der hanseatischen CDU die größte Niederlage ihrer Geschichte (Kommentar Seite 2). Die Wähler sprachen der Union sogar Kernkompetenzen wie Wirtschaft und Arbeit ab. Das im November gescheiterte Projekt Schwarz-Grün erweist sich selbst für die Grünen als Fehlschlag: Sie gewinnen nur wenige Stimmen hinzu, sind als Regierungspartner überflüssig und bekommen vom Wähler die Grenzen weiteren Wachstums im linken Lager (6,4 Prozent für die Linkspartei) und darüber hinaus aufgezeigt.

Die SPD gewann dank eines lokalpolitischen Wahlkampfes 48,3 Prozent der Wähler. 2008 waren es nur 34,1 Prozent gewesen. Die CDU hingegen hat der Wähler mit 21,9 Prozent fast halbiert, wie die grüne Frontfrau Anja Hajduk Minuten nach ersten Hochrechnungen dem niedergeschlagenen Ex-Koalitionär Ahlhaus vorhielt. Umfragen zeigen: Nicht einmal jeder dritte Bürger glaubt, Schwarz-Grün habe die Stadt irgendwie vorangebracht. Noch 2008 vereinte die CDU 42,6 Prozent der Wähler auf sich. Sie steht nun vor den Scherben der im November von den Grünen abrupt aufgekündigten Koalition.

Das Machtprojekt markiert nun das Ende der gut neunjährigen, anfangs von einer konservativ-bürgerlichen Schicht erst ermöglichten Herrschaft der Elb-Union. Während Ahlhaus sagt, „aufgrund sehr großer Zugeständnisse an die Grünen bei den eigenen Leuten verloren“ zu haben, gibt es in seiner Partei weiter Skepsis gegenüber der seit langem enttäuschten konservativen Basis. Der Fraktionsvorsitzende im Stadtparlament, Frank Schira, betont, es sei wenig Trost, daß die Grünen die Quittung für den eigennützigen Bruch der Koalition bekommen hätten, „ich bin für eine liberale Großstadt-CDU, das konservative Element ist zu wenig“. Die CDU-Spitze mißtraut dem Wählervotum, setzt weiter auf die Einflüsterungen der Medien. Die trauern dem Ahlhaus-Vorgänger Ole von Beust nach: Mit ihm habe die Partei ihr liberales Gepräge verloren.

Noch am Wahlabend überließ die CDU dem von ihr aufgestellten Parteilosen und erklärten Gegner der schwarz-grünen Schulreform, Walter Scheuerl, sich zu dieser zentralen Ursache der Niederlage zu äußern. Scheuerl räumte ein, das Hin und Her bei der Reform habe geschadet, „insofern ist das jetzige Ergebnis eine klare Entscheidung für Hamburg“ – ein Lob der SPD. Er spricht nicht vom Umdenken der CDU, sondern von wachsamen Unterstützern seiner schulreformkritischen Sicht in anderen Parteien wie der FDP. Die präsentierte mit Katja Suding eine stets lächelnde PR-Expertin. Inhaltlich ein unbeschriebenes Blatt, profitierte sie gegen den FDP-Bundestrend (6,6 Prozent). Doch sie bietet der Union keine Machtoption mehr. Die hat zu lange auf Schwarz-Grün gesetzt. Nicht etwa enttäuschte Befürworter dieser Linie haben das CDU-Debakel bewirkt. Es waren die Konservativen, die sich abwandten: Rund 7.000 CDU-Wähler wanderten ARD-Analysen zufolge zu den Grünen. Die Liberalen vermochten mit rund 19.000 zugewanderten einstigen Beust-Wählern überraschend wenig zu profitieren. Dagegen erhofften sich 52.000 diesmal von einer entgegen der Bundespolitik sehr konservativ werbenden SPD eine Vertretung ihrer Interessen. Die mit Abstand größten Verluste hatte die CDU durch Nichtwähler – rund 70.000 Stimmen.

Es liegt nahe, daß letztere nicht nur das neue komplizierte Wahlsystem scheuten. Jeder Wahlberechtigte hatte vor dem Urnengang vom Landeswahlleiter eine aufwendige Erklärung („sie haben

20 Stimmen“) bekommen. Die Wahlbeteiligung sank von 63,5 auf 57 Prozent, die Zahl ungültiger Stimmen (25.000) verdreifachte sich. Laut Umfrage bündelten 82 Prozent der Wähler ihre Stimmen bei einer Partei. Es gab kaum Sehnsucht nach Zweckbündnissen. Der SPD-Sieg ist so „ein Vertrauensvorschuß“, wie Scholz sagt. Seine zurückhaltende Art kam bei den Hanseaten an. SPD-Veteranen wie Helmut Schmidt, Henning Voscherau und Hans-Ulrich Klose gaben mit Rat und Grünen-Schelte Flankenschutz. Die ganz auf Scholz zugeschnittene SPD-Kampagne präsentierte einen ungekünstelten Kandidaten, während die CDU den Finger plakativ in die Wunde legte und „Schulfrieden“ versprach.

So gelang Scholz die Wende, weg von einer durch Affären und rot-grüne Bürgerferne aufgefallenen Elb-SPD hin zu einer Bürgerpartei ohne Visionen. Scholz, der „Kümmerer“, verspricht wenig, konzentriert sich aufs Kerngeschäft Wirtschaft, Hafen, Wohnraum und spricht vom Sparen. Mit Handelskammerpräses Frank Horch als Wirtschaftssenator gewann er vor der Wahl einen Entscheidungsträger, den die CDU vergebens umwarb – wie so viele.

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