© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/11 18. Februar 2011

Frisch gepresst

Armenier-Genozid. Sollte die türkische Regierung weiterhin leugnen, daß ihre Amtsvorgänger im Schatten des Ersten Weltkrieges die Chance nutzten, um den größten Teil der armenischen, syrischen, assyrisch-chaldäischen, also ihrer christlichen Urbevölkerung zu deportieren und dabei fast eine Million Menschen zu ermorden, dann dürfte dies kein ernsthaftes Hindernis für die Aufnahme des Muslimstaates in die EU-„Wertegemeinschaft“ sein. Hat sich doch auch Tschechien in Lissabon die menschenrechtliche Unbedenklichkeit seiner Beneš-Dekrete mühelos absegnen lassen. Insofern könnte der jetzt im unveränderten Nachdruck veröffentlichten Denkschrift des für die Sache der Armenier unerschrocken Partei ergreifenden Pastors Johannes Lepsius nur noch antiquarisch-historische Bedeutung zukommen. Gleichwohl stellt die 1916 mit Rücksicht auf den osmanischen Verbündeten des Deutschen Reiches als „streng vertraulich“ klassifizierte und lediglich „als Manuskript“ gedruckte Darstellung des Völkermordes auch fast hundert Jahre danach höchste Anforderungen an das Nervenkostüm des Lesers, dem hier Grausamkeiten ohne Zahl zugemutet werden. (ob)

Johannes Lepsius: Bericht über die Lage des Armenischen Volkes in der Türkei. Nachdruck von 1916. Gerhard Hess Verlag, Bad Schussenried 2011, gebunden, 304 Seiten, 16,80 Euro

 

Rückblick total. Jedes Jahr im Januar veröffentlicht Gerhard Wisnewski seinen Jahresrückblick der anderen Art. Auch diesmal präsentiert der Münchner Enthüllungsjournalist eine gelungene Sammlung von Gegeninformationen. Da er im Sommer 2010 viel Energie darauf verwendet hat, den Tod der Berliner Richterin Kirsten Heisig zu untersuchen, bildet seine Mordtheorie das wohl wichtigste Kapitel. Aber er hat auch zu anderen Themen wichtige Fakten zusammengetragen, die so fast nirgendwo behandelt wurden. Manche Theorie ist wenig plausibel, der Leser sollte nicht jeden Drops lutschen, den der Autor ihm hinhält. Wisnewski behauptet zum Beispiel, daß die USA hinter dem Erdbeben von Haiti stecken, um das Land zu besetzen und auszubeuten. Abgesehen von diesen Skurrilitäten ist der Jahresrückblick aber wieder überraschend, informativ und unterhaltsam zugleich – ein Korrektiv zur politisch-korrekten Melange aus Tagesschau, Bild oder Spiegel. (rg)

Gerhard Wisnewski: Verheimlicht, vertuscht, vergessen – was 2010 nicht in der Zeitung stand. Verlag Droemer Knaur, München 2011, broschiert, 368 Seiten, 7,99 Euro

 

Historisches Kalenderblatt

22. Februar 1941: In Athen berät der britische Außenminister Anthony Eden die militärische Unterstützung Griechenlands im Krieg mit Italien. Ein deutsches Vermittlungsangebot zur Beendigung des Krieges wiesen die Griechen tags zuvor zurück.

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