© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/11 18. Februar 2011

Verordneter Bildersturm
Wilhelminische Epoche: Reinhold Begas im Deutschen Historischen Museum
Ekkehard Schultz

Nach dem Willen der alliierten Siegermächte sollte nach 1945 in Deutschland auch das Preußentum als „Vorläufer“ der NS-Herrschaft überwunden werden. Die in diesem Zusammenhang getroffenen Maßnahmen beschränkten sich keineswegs auf die politische und administrative Ebene. Auch die bildende Kunst blieb davon nicht verschont.

Von dem Bildersturm im Berlin der Nachkriegszeit waren insbesondere die Werke eines Mannes betroffen, der rund fünfzig Jahre zuvor noch als einer der bekanntesten Deutschen seiner Zeit gegolten hatte – der Bildhauer Reinhold Begas. Doch nun galten seine Werke wie das Nationaldenkmal auf der Schloßfreiheit oder die verschiedenen Herrscherfiguren auf der Siegesallee als Relikte einer finsteren Vergangenheit. Um so höher ist es einzuschätzen, daß das Deutsche Historische Museum dem heute nahezu Vergessenen die erste Werksausstellung seit 1911 widmet.

Reinhold Begas wurde am 15. Juli 1831 als drittes Kind des Malers Carl Joseph Begas geboren. Schon sein Vater war eine geachtete Persönlichkeit, die den Nachwuchs gezielt auf eine künstlerische Laufbahn vorbereitete. Im Elternhaus verkehrten die damaligen Größen der Berliner Gesellschaft, das Atelier beehrte der preußische König mehrfach mit seinem Besuch.

Nachdem der junge Begas einen Zeichenkurs an der Berliner Akademie absolviert hatte, studierte er ab 1846 an der Bildhauerschule. Dort wurde er von so berühmten Lehrern wie Christian Daniel Rauch, Johann Gottfried Schadow und Ludwig Wichmann unterrichtet, den damals führenden Vertretern des Berliner Klassizismus. Doch schon wenige Jahre später brach Begas radikal mit dieser Tradition. Prägend für sein späteres Schaffen wurde sein erster Rom-Aufenthalt zwischen 1856 und 1858. Dort lernte er Arnold Böcklin und Anselm Feuerbach kennen, mit denen ihn eine langjährige Künstlerfreundschaft verbinden sollte. Gleichzeitig nahm er in Rom die dortigen Einflüsse des Neobarock auf. Bereits kurz nach seiner Rückkehr nach Deutschland entwickelte sich Begas zu einem prägenden Vertreter dieser neuen Richtung.

In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts machte sich Begas vor allem mit der Anfertigung von Porträtbüsten einen Namen. Zu den Auftraggebern gehörten Gelehrte wie Mommsen, Künstler wie Menzel, Politiker wie Bismarck, Industrielle wie Borsig sowie zahlreiche Damen der Berliner Gesellschaft. Dies trug wiederum dazu bei, daß Begas 1864 seinen ersten offiziellen Auftrag aus dem Königshaus erhielt. Die gewünschten Büsten der Hohenzollern-Könige entsprachen vollkommen den Vorstellungen des Hofes.

Aus diesen Kontakten resultierte bald der erste Großauftrag des damaligen preußischen Königs Wilhelm. Begas sollte die Errichtung eines Schiller-Denkmals auf dem Berliner Gendarmenmarkt übernehmen. Dessen Enthüllung im Jahre 1871 war ein großer Erfolg. Nun wurde Begas regelmäßig mit weiteren Projekten betraut, insbesondere nach der Thronbesteigerung von Kaiser Wilhelm II. 1888. Darunter fiel etwa der Auftrag für ein Reiterstandbild für Wilhelm I. an der Westfassade des Stadtschlosses. Am 18. August 1894 erfolgte die Grundsteinlegung, am 22. März 1897 die Einweihung. Im Mittelpunkt der Anlage stand die neun Meter hohe Reiterstatue des Kaisers, am Sockel schwebten vier Viktorien, an den Stufen lagerten die Jünglingsfiguren „Krieg“ und „Frieden“.

Zur Jahrhundertwende hatte Begas den Höhepunkt seiner Karriere erreicht. Als Lehrer mit einer großen Schülerschar, als Jurymitglied von Preisgerichten und Kunstausstellungen dominierte er das Kunstgeschehen in Berlin. Dies rief allerdings auch Neid und Kritik hervor. Kollegen versuchten Begas zu schaden, indem sie ihn als Repräsentanten einer überlebten Stilrichtung darstellten und ihm vorwarfen, sich Neuerungen zu verschließen. So verspürten viele Konkurrenten eine gewisse Genugtuung, als es im Zuge der Neugestaltung der Siegesallee zwischen Wilhelm II. und Begas zu Differenzen über die Darstellung brandenburgisch-preußischer Herrscher kam, in deren Verlauf sich der Kaiser schließlich von Begas abwandte.

Während nach dem Ende des Kaiserreiches in der Weimarer Republik die meisten Denkmäler von Begas an ihren alten Standorten verblieben, wurden im Dritten Reich mehrere Objekte an dezentrale Orte versetzt. Nicht mehr die Bilder der alten Eliten sollten das Gesicht der Hauptstadt prägen, sondern die „Germania“-Fiktionen. Nach 1945 wurden zahlreiche Werke Begas’ demontiert, und zwar keineswegs nur im sowjetisch besetzten Sektor Berlins, sondern auch im Westteil der Stadt. 

Heute sollte dieser Umgang mit der Kunst der wilhelminischen Epoche endgültig überwunden sein. Dazu leistet die sehenswerte Präsentation, zu der erstmals ein ausführliches Werkverzeichnis der bildhauerischen Arbeiten von Begas erstellt wurde, einen guten Beitrag.

Die Ausstellung „Reinhold Begas – Monumente für das Kaiserreich“ ist noch bis zum 6. März im Pei-Bau des Deutschen Historischen Museums, Hinter dem Gießhaus 3, 10117 Berlin, täglich von 10 bis 18 Uhr zu sehen. Der reich bebilderte Katalog mit 416 Seiten kostet 34 Euro. www.dhm.de

Foto: Abriß des von dem Bildhauer Reinhold Begas geschaffenen Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I., fotografiert von Rudolf Kessler (1950): Angeblich Relikte einer finsteren Vergangenheit

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