© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/11 18. Februar 2011

Vergebliche Rettung
Bankenkrise: Eine Expertenkommission empfiehlt die Abwicklung der Pleitebank Hypo Real Estate (HRE)
Marco Meng

Die Pleitebank Hypo Real Estate (HRE) ist nicht zu retten: Zu diesem Schluß kommt eine voriges Jahr von der Bundesregierung eingesetzte Expertenkommission unter Führung des Bonner Wirtschaftsjuristen Daniel Zimmer. Die 2009 notverstaatlichte Münchner Immobilienbankgruppe sollte demnach komplett abgewickelt werden. Der Ratschlag der Experten widerspricht damit den bisherigen Plänen, das in Deutsche Pfandbriefbank (PBB) umbenannte Kerngeschäft der HRE am Leben zu erhalten und irgendwann gewinnbringend zu verkaufen. Die Chancen für eine erfolgreiche Privatisierung der HRE seien angesichts der geringen Margen und des heftigen Wettbewerbs sehr begrenzt.

Auch bezüglich der WestLB sei es geboten, daß der Bankenrettungsfonds Soffin für die NRW-Landesbank „zeitnah Vorbereitungen für eine eventuell erforderlich werdende Abwicklung trifft“, denn HRE und die WestLB erbrächten „keine volkswirtschaftlich unentbehrliche Leistung“. Die HRE war schon vor der Finanzkrise in Schieflage geraten. Im Herbst 2008 konnte die damals fast zur Hälfte in US-Besitz befindliche private Aktiengesellschaft nur mit Staatshilfen vor der Pleite bewahrt werden. Voriges Jahr belastete die notverstaatlichte Bank die Steuerzahler mit einem Verlust von 2,2 Milliarden Euro. Gleichzeitig wurden Boni in der Gesamthöhe von 25 Millionen Euro ausgezahlt.

Die Expertenkommission übte zudem deutliche Kritik an der Bankenrettung in Deutschland. Die Erfahrungen anderer Länder zeigten, „daß der Ausstieg der Regierungen aus den Beteiligungen an Banken zum Teil schneller und mit größeren Gewinnen gelungen ist als in Deutschland“. Dabei stellt sich die Frage, warum Banken 2008 „systemrelevant“ sein konnten und mit Steuergeldern gerettet werden mußten und zwei Jahre später plötzlich nicht „unentbehrlich“ sind. Wenn die unausweichliche Pleite nun nicht mehr künstlich mit an Milliarden Steuergeldern verschleppt werden muß – war dann das, was die Bundesregierung zuvor tat, Insolvenzverschleppung?

Die HRE-Milliardenverluste wurden pikanterweise erst kurz nach den Landtagswahlen in Bayern publik gemacht, was kaum Zufall gewesen sein dürfte. Die HRE war 2003 aus mehreren Hypothekenbanken zusammengebastelt worden. Sie fungierte praktisch als „Bad Bank“ der bayerischen Hypo-Vereinsbank (HVB), damit man die 1998 fusionierte HVB weitgehend altlastenfrei an die italienische Großbank Unicredit verkaufen konnte. Interessant ist hierbei, daß die HRE als Abspaltung der Hypo-Vereinsbank (HVB) fünf Jahre zuvor an die Börse gegangen war – und fünf Jahre betrug damals im Börsenrecht die Haftungsdauer. Das heißt, hätte der Bund einen Tag früher mit Garantien einspringen müssen, hätte der Bund – also der Steuerzahler – Ansprüche gegen die HVB bzw. die Unicredit geltend machen können. Ob dahinter kriminelle Energie stand, wird wohl nie geklärt werden. Im Oktober 2010 hat man wenigstens hier reagiert und den Paragraph 93 des Aktiengesetzes neu gefaßt: die Verjährung von Ansprüchen wurde auf zehn Jahre erhöht – leider Abermilliarden Steuerzahler-Euro zu spät.

Die Machenschaften um die HRE erinnern an den Fall Jérôme Kerviel. Der junge Société-Générale-Angestellte hatte hohe Verluste im Eigenhandel der französischen Großbank eingefahren. Als er 2010 vor einem Gericht in Paris dem Vorwurf gegenüberstand, er sei der „Erfinder eines kohärenten Betrugssystems“ gewesen, verteidigte er sich mit dem Hinweis darauf, daß er nur die Methoden angewandt habe, die bereits in der Bank existiert hätten und die er dort gelernt habe.

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