© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/11 18. Februar 2011

Gruß aus Bozen
Es gibt halt nichts zu feiern
Hans Gernheim

Bozen, die nördlichste italienische und südlichste deutsche Stadt – zumindest, was das Klima betrifft. Tatsächlich scheint in diesen Februartagen ein Hauch von Frühling in der Luft zu liegen. Am Waltherplatz mit seinem Walth-er-von-der-Vogelweide-Denkmal bereiten sich die Cafés auf den Ansturm sonnenhungriger Gäste vor, die den Vorfrühling den letzten Schifreuden vorziehen. In der Politik herrschen hingegen weniger frühlingshafte Gefühle.

Südtirol, von Italien gerne als Musterlösung eines ethnischen Konflikts gepriesen, hat es seit langem wieder mal in die staatsweiten Medien geschafft. Diesmal aber nicht aufgrund der Lebensqualität oder funktionierenden Landesverwaltung, die in den italienischen Wirtschaftsblättern regelmäßig gelobt und beispielhaft hervorgehoben werden. Südtirols Landeshauptmann Durnwalder hat vielmehr in ein Wespennest gestochen: Er verweigert die Teilnahme an den Feiern zum 150. Jahrestag der italienischen Einigung. Es gäbe für die Deutschen und Ladiner nichts zu feiern, meinte Durnwalder und sprach damit aus, was die große Mehrheit seiner Landsleute denkt. Schließlich habe man 1861 nicht an der Einigung Italiens teilgenommen, vielmehr sei Südtirol erst 1919 gegen den Willen seiner Bevölkerung angeschlossen worden.

Diese historische Binsenweisheit traf die italienische Öffentlichkeit ins Mark: Selbst der bedächtige Staatspräsident Napoletano griff zur Feder, ermahnte Durnwalder, er vertrete auch die Italiener Südtirols, und bezeichnete die deutsche Volksgruppe als „italienisch fühlende Staatsbürger“. Das verletzte nationale Gemüt wird in der linken Tageszeitung Repubblica bedient: Die undankbaren Deutschen würden „Mama Italia“ nicht genug lieben – trotz des Geldsegens, der jährlich nach Südtirol gepumpt werde.

Wie wenig die italienische Öffentlichkeit sich mit den Hintergründen der Südtiroler Autonomie beschäftigt, wird darin deutlich, daß der „römische Geldsegen“ das Steueraufkommen der Südtiroler darstellt, das nicht in den maroden Kassen des Zentralstaates verschwindet, sondern nach Bozen zurückfließt. Es ist wohl mehr Neid, der die jüngste Polemik entfacht hat. Tatsächlich gelang es den Südtirolern, aus einem Armenhaus ein Musterland zu schaffen. Nicht wegen, sondern trotz Zugehörigkeit zum italienischen Staat, der den Deutschen und Ladinern niemals die Möglichkeit einräumte, über ihr Schicksal zu bestimmen.

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