© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/11 18. Februar 2011

Warten auf den Frühling
Populismus: Trotz Sarrazin-Debatte und europäischer Vorbilder bleiben die Chancen für eine deutschlandweit erfolgreiche Rechtspartei gering
Felix Krautkrämer

Ob Österreich, Schweden, Italien, Belgien, Holland, England, Ungarn, Finnland oder die Schweiz – überall in Europa befinden sich moderne Rechtsparteien auf dem Vormarsch. In einigen Ländern genießen sie sogar bereits Volkspartei-Status. Die allgemeine politische Lage spielt ihnen dabei in die Hände: Die wachsende Unzufriedenheit mit den etablierten, meist über Jahrzehnte im Wechsel an der Regierung beteiligten Parteien, die zunehmende Zentralisierung und Bürokratisierung der Europäischen Union oder die Folgen aus jahrzehntelanger ungenügend kontrollierter Einwanderung – dies alles sind Themen, aus denen rechtspopulistische Parteien gewinnbringend politisches Kapital schlagen.

Nur in Deutschland klafft hier ein großes schwarzes Loch. Auf Bundesebene ist weit und breit keine rechte politische Kraft in Sicht, die auch nur annähernd das Zeug dazu hätte, bei der Bundestagswahl 2013 den Sprung über die Fünfprozenthürde zu schaffen. Auf der Länderebene sorgen allerdings derzeit „Pro NRW“, „Die Freiheit“, Bürger in Wut und Pro Sachsen für etwas Bewegung (siehe Kästen oben).

Gründe für den bisher weitgehend ausbleibenden Erfolg rechtspopulistischer Parteien in Deutschland gibt es viele: die spezielle deutsche Vergangenheit und die daraus resultierende politische Langzeitwirkung, die starke internationale politische und wirtschaftliche Einbindung der Bundesrepublik, die es Rechtsparteien von Beginn an schwerer machte, nationale Interessen in den Vordergrund zu stellen, sowie eine stark nach links tendierende Medienlandschaft.

Hinzu kommt eine gehörige Portion an politischem Unvermögen, die gerade unter rechten Klein- und Kleinstparteien häufig zu finden ist, verbunden mit dem Hang zur Beratungsresistenz. Der Mangel an qualifiziertem Personal rundet das negative Erscheinungsbild zumeist noch ab. Es ist müßig darüber zu diskutieren, ob die erstgenannten Faktoren letzteres mitunter begünstigen oder vielleicht sogar bedingen, denn mehr als eine weitere Ausrede für die nächste Wahlniederlage ist auch dadurch nicht zu gewinnen. Zudem zeigt ein Blick auf die Landesebene, daß Rechtsparteien bei Wahlen durchaus Erfolg haben können – wenn sie auch oftmals nicht in der Lage sind, darauf aufzubauen und diesen gegebenenfalls zu wiederholen.

Für den Bonner Politikwissenschaftler Frank Decker braucht es für einen möglichen Wahlerfolg rechtspopulistischer Parteien zwei Faktoren: „Ein geeignetes Thema und die richtige Person, die dieses durch ein geschlossenes Auftreten auch glaubhaft vertreten kann“, sagte der Rechtspopulismusexperte der JUNGEN FREIHEIT. Als geradezu klassisches Lehrbeispiel hierfür steht der frühere Hamburger Amtsrichter Ronald Schill, der vor fast zehn Jahren mit der von ihm gegründeten Partei Rechtsstaatlicher Offensive aus dem Stand mit 19,4 Prozent in die Bürgerschaft der Hansestadt einzog.

Doch so rasant Schills Aufstieg war, so schnell sank sein Stern auch wieder. Die frühe Regierungsverantwortung, die deutschlandweite Ausdehnung und sein exzentrisches Wesen führten dazu, daß sowohl er als auch seine Partei auf kürzestem Wege in der Bedeutungslosigkeit verschwanden. Ein weiteres Beispiel sind die Republikaner, die Ende der achtziger und in den neunziger Jahren im Zuge der Asyldebatte einige beachtliche Wahlerfolge aufweisen konnten, nach dem Scheitern bei der Wahl in Baden-Württemberg 2001 und dem damit verbundenen Verlust der Landtagsfraktion aber zunehmend an Bedeutung verloren.

Decker weist allerdings auch auf die speziellen Umstände hin, mit denen Rechtsparteien in Deutschland zu kämpfen haben. Aufgrund des historischen Hintergrunds stünden sie wesentlich stärker unter Beobachtung als in anderen Ländern. Zudem gebe es eine besondere „Stigmatisierung des Extremismus“. Da extremistische Trittbrettfahrer häufig versuchten, sich auf einen erfolgversprechenden Zug aufzuschwingen, stünden rechtspopulistische Parteien vor der Herausforderung, sich von diesen glaubhaft abzugrenzen, ohne dadurch die eigene Wählerklientel zu verprellen.

Ein Spagat, der sich derzeit bei der Pro-Bewegung beobachten läßt. So wird Pro-NRW-Chef Markus Beisicht nicht müde, sich von der NPD und dem aus „Kostümnazis“ bestehenden rechten „Narrensaum“ zu distanzieren. Auf der anderen Seite steht man einer Zusammenarbeit mit ehemaligen Funktionären aus diesem Lager durchaus offen gegenüber, wenn sie sich nur überzeugend von ihren früheren Parteien lossagen. Inwieweit Pro NRW damit Erfolg haben wird, muß sich erst noch zeigen. Die 1,4 Prozent bei der vergangenen Landtagswahl sprechen allerdings nicht unbedingt dafür, daß die Partei vom Wähler als „Denkzettel“ oder gar als Alternative zur CDU wahrgenommen wird.

Dennoch, mit ihrem Anti-Islam-Kurs setzt die Pro-Bewegung auf das derzeit unter Rechtsparteien wohl aussichtsreichste Thema. Das sehen offenbar auch René Stadtkewitz („Die Freiheit“), Jan Timke („Bürger in Wut“) und der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche (Bürgerbewegung Pro Sachsen) so, die allesamt hoffen, zumindest teilweise mit der Thematik punkten zu können. Ob der Plan aufgeht, müssen Timke und Stadtkewitz schon im März beziehungsweise September beweisen. Die Eigenheiten bei Wahlen in Stadtstaaten könnten ihnen dabei aber entgegenkommen.

Doch selbst bei einem Erfolg Stadtkewitz’ in Berlin und Timkes in Bremen würde sich auf bundespolitischer Ebene wohl nur wenig ändern. Zu überschaubar sind derzeit die entsprechenden politischen Gruppierungn und deren Potential. Dies sieht auch Rechtspopulismusexperte Decker ähnlich: „Auch wenn Thilo Sarrazin mit seinem Buch ‘Deutschland schafft sich ab’ gezeigt hat, daß es für gewisse politische Themen ein erstaunliches Stimmenpotential gibt, ist die ganze Debatte parteipolitisch doch merkwürdig folgenlos geblieben.“

 

Bürger in Wut

Mitbegründer und Vorsitzender der 2004 ins Leben gerufenen Wählervereinigung „Bürger in Wut“ (BIW) ist der ehemalige Bundespolizist Jan Timke.

Bei der Bürgerschaftswahl 2007 in Bremen kamen die BIW landesweit auf 0,9 Prozent der Stimmen, über Bremerhaven konnte Timke jedoch in das Landesparlament einziehen.

Aktuelle Umfragen sehen die nach eigenen Angaben 500 Mitglieder starke Wählervereinigung in Bremen derzeit bei 5,5 Prozent. Mit seinem Engagement im Kampf gegen den kriminellen libanesischen Miri-Clan konnte Timke zudem auch in der Bild punkten.

Thematisch setzen die BIW vor allem auf innere Sicherheit, Integration und Bildung. Sollte im März der Einzug in die Bürgerschaft in Fraktionsstärke gelingen, plant Timke die Umwandlung zur Partei und die Gründung weiterer Landesverbände. Dann wird auch der Antritt zur Europa-Wahl angestrebt. Kontakte hat Timke zu René Stadtkewitz und zum früheren  Bundestagsabgeordneten Henry Nitzsche. Von der Pro-Bewegung distanziert sich Timke jedoch. (ho/krk)

www.buerger-in-wut.de

 

Pro NRW/Die Republikaner

Über lange Zeit war das Verhältnis zwischen Republikanern und Pro NRW eher durch Ablehnung und Konkurrenz geprägt. Seit dem vergangenen Jahr haben Pro-NRW-Chef Markus Beisicht und der Republikaner-Vorsitzende Rolf Schlierer jedoch eine engere Zusammenarbeit vereinbart. Geplant ist unter anderem ein Antritt als gemeinsame Formation zur Europawahl 2014, eventuell bereits zur Bundestagswahl 2013. Konkrete Pläne für eine Fusion gibt es aber noch nicht.

Offiziell verfügen die 1983 gegründeten Republikaner noch über Landesverbände in allen Bundesländern und über mehr als 6.000 Mitglieder. Als Stammländer gelten Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, in denen die Partei in diesem Jahr auch zu den Landtagswahlen antritt. Bei der Europawahl 2009 kamen sie auf 1,2 Prozent, bei der Bundestagswahl auf 0,4 Prozent. Pro NRW zählt nach eigenen Angaben über 2.000 Mitglieder und erreichte 2010 bei der Landtagswahl 1,4 Prozent. Dabei erzielte die Partei vor allem auf kommunaler Ebene Achtungserfolge. Im September tritt in Berlin Pro Deutschland zur Abgeordnetenhauswahl an. Der  Vorsitzende von Pro Deutschland, Manfred Rouhs, gehört auch der Stadtratsfraktion von Pro Köln an. Kontakte bestehen seitens der
Pro-Bewegung, die mit ihren Anti-Islamisierungskongressen in Köln für Aufsehen sorgte, zur FPÖ und zum Vlaams Belang. Für den 7. Mai ruft sie zum „Marsch der Freiheit“ nach Köln auf. Erwartet wird hierzu auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. (krk)

 www.rep.de ; www.pro-nrw.org

 

Die Freiheit

Auch wenn die im Oktober 2010 gegründete Partei „Die Freiheit – Bürgerrechtspartei für mehr Freiheit und Demokratie“ (Die Freiheit) bislang nur über den Berliner Landesverband verfügt, hat sie nach eigenen Angaben bereits deutschlandweit etwa 1.650 Mitglieder. Ihr Vorsitzender René Stadtkewitz, der als fraktionsloser Abgeordneter im Berliner Landesparlament sitzt, sorgte bereits mehrfach über die Hauptstadt hinaus für Schlagzeilen, zum Beispiel durch die Einladung von Geert Wilders im vergangenen Oktober. Neben seiner Funktion als Chef der „Freiheit“ ist Stadtkewitz stellvertretender Vorsitzender der Bürgerbewegung Pax Europa.

Im Berlin-Wahlkampf will die Partei vor  allem mit den Themen Integration und Islamkritisch überzeugen. Weitere Schwerpunkte sind Bildung und innere Sicherheit. Für Anfang Juni ist laut Stadtkewitz die Gründung von Landesverbänden in Bayern und Baden-Württemberg geplant. International bestehen enge Kontakte zu Wilders’ „Partij voor de Vrijheid“. Zudem reiste Stadtkewitz mehrfach mit Vertretern anderer europäischer Rechtsparteien nach Israel. Eine Zusammenarbeit mit der „Pro-Bewegung“ hat Stadtkewitz bisher ausgeschlossen. (ho/krk) www.diefreiheit.org

 

Bürgerbewegung Pro Sachsen

An der Spitze der Anfang Februar gegründeten Wählervereinigung Bürgerbewegung Pro Sachsen steht der ehemalige Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche. Der CDU-Aussteiger gründete bereits 2008 die Wählervereinigung Arbeit, Familie, Vaterland. Als parteiloser Direktkandidat erzielte Nitzsche bei der Wahl zum sächsischen Landtag 2009 im Wahlkreis Hoyerswerda 19,6 Prozent. Kontakte unterhält er unter anderem zur Pro Bewegung und zu Jan Timke (BIW). Als Stellvertreter Nitzsches bei Pro Sachsen fungieren DSU-Chef Roberto Rink und die Vorsitzenden der Freiheitlichen Partei Deutschlands, Johannes Hertrampf, und der Sächsischen Volkspartei, Mirko Schmidt. Letzterer saß bereits für die NPD im sächsischen Landtag. Die Wählervereinigung zählt nach eigenen Angaben bislang rund 150 Mitglieder und ist organisatorisch unabhängig von der Pro Bewegung. Laut Nitzsche strebt das Bündnis den Parteistatus an, um bei der Landtagswahl 2014 antreten zu können. (krk)  www.buergerbewegung-pro-sachsen.de

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