© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  08/11 18. Februar 2011

„Künftig nur noch miteinander“
Rolf Schlierer ist Parteichef der Republikaner, Markus Beisicht Vorsitzender von Pro NRW. Lange hatten sich beide wenig zu sagen, nun wollen sie sich an einen Tisch setzen. Ein Flirt – oder wird mehr daraus?
Moritz Schwarz

Herr Dr. Schlierer, Herr Beisicht, ist das Kriegsbeil begraben?

Beisicht: Von einem Kriegsbeil würde ich nicht sprechen.

Noch im Mai nannte Ihr Generalsekretär nach der NRW-Landtagswahl die Republikaner eine „verbrauchte, alte Rechtspartei“, die sich mit ihrem Ergebnis „ins politische Nirwana“ katapultiert habe.

Beisicht: Pro NRW hat als Neueinsteiger mit 1,4 Prozent durchaus ein anständiges Ergebnis erzielt, die Republikaner kamen im Land dagegen nur auf 0,3 Prozent, das stimmt. Aber es hat schon länger immer wieder Versuche gegeben, einander näherzukommen.

Schlierer: Natürlich gab es in der Vergangenheit eine Konkurrenz zwischen uns, aber spätestens diese Landtagswahl hat auf beiden Seiten die Erkenntnis befördert, künftig nicht mehr gegen- sondern miteinander zu arbeiten.

Das sind neue Töne, denn traditionell betrachten sich die Republikaner als Platzhirsch des rechtsdemokratischen Spektrums. Was ist aus Ihrem Alleinvertretungsanspruch geworden, Herr Schlierer?

Schlierer: Erstens haben wir Republikaner durchaus zur Kenntnis genommen, daß wir in den letzten Jahren politisch nicht stärker geworden sind ...

Moment, im Klartext: Sie räumen ein, daß die Republikaner gescheitert sind?

Schlierer: Erstens, wir sind nicht gescheitert, sondern wir nehmen zur Kenntnis, daß wir nicht allein sind. Zweitens haben wir aufmerksam die Sarrazin-Debatte verfolgt und verstanden, daß es im Volk das Bedürfnis nach einer soliden demokratischen Partei gibt, die die von Thilo Sarrazin enttabuisierten Themen aufgreift. Und wir verstehen, daß diese Rolle nicht von einer Gruppierung allein beansprucht werden kann, sondern daß die Wahlbürger eine Gesamtbewegung wünschen, die diese Inhalte politisch einbringt. Ich denke da übrigens unter anderem an ein bestimmtes Publikationsorgan, das diese Forderung stets besonders nachdrücklich formuliert hat.

Herr Beisicht, als Sie die Pro-Bewegung gegründet haben, wollten Sie die Republikaner in NRW doch eigentlich politisch ablösen. Sind Sie also gescheitert?

Beisicht: Gescheitert? Nein, im Gegenteil. Was jetzt geschieht, ist eine folgerichtige Entwicklung. Die Pro-Bewegung folgt ja einem anderen politischen Konzept als die Republikaner. Unsere Philosophie ist das Graswurzelprinzip: Über kommunale und regionale politische Verankerung eine solide Basis für den Einzug in einen Landtag aufzubauen. 1996 haben wir zunächst Pro Köln gegründet und erst nach jahrelanger Aufbauarbeit den Landesverband Pro NRW, womit uns dann bei den Kommunalwahlen 2009 auch Wahlerfolge zwischen vier und sechs Prozent in etlichen Städten im Land, etwa Köln, Gelsenkirchen oder Leverkusen gelungen sind. Bei der Landtagswahl haben wir einen Achtungserfolg erzielt und sind schon im ersten Anlauf Marktführer im rechtsdemokratischen Spektrum in NRW geworden. Wenn wir uns nun mit einer bundesweit agierenden Partei verbünden, wird uns das einen weiteren Schritt nach vorn bringen.

Den Landtag haben Sie aber verpaßt.

Beisicht: Ja, doch ich darf daran erinnern, daß selbst die Grünen für den Sprung in den Landtag drei Anläufe gebraucht haben. Das Wahlergebnis hat aber bei unseren Verbänden nicht zur Resignation geführt – im Gegenteil. Wir haben nun die notwendigen Schlußfolgerungen gezogen und nach einem neuen strategischen Ansatz gesucht: Nämlich uns für andere bürgerliche, seriöse, grundgesetztreue Parteien zu öffnen, um gemeinsam dafür zu sorgen, daß in ganz Deutschland endlich eine freiheitliche Plattform entsteht, wie es sie in fast allen anderen europäischen Ländern längst gibt.

Schlierer: Und wir wollen dabei möglichst viele andere ins Boot holen. Das Ganze verstehen wir als einen Prozeß.

Der ehemalige CDU-Abgeordnete René Stadtkewitz und seine Berliner Formation „Die Freiheit“ haben schon abgewinkt. Der Ex-Bundespolizist Jan Timke und seine  Bremer „Bürger in Wut“ sind derzeit auch ohne Sie im lokalen Aufwind. Und die ehemalige CSU-Schwesterpartei DSU in Sachsen konnte sich schon vor zehn Jahren nicht mal zur „Ehe“ mit dem nationalliberalen „Bund Freier Bürger“ durchringen.

Schlierer: Na ja, ich sage voraus, daß Herr Stadtkewitz spätestens nach der Berlin-Wahl wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkommen wird. Und ob Herr Timke wirklich im Aufwind ist, müssen die nächsten Wahlen und die Entwicklung seiner lokalen Gruppierung erst noch zeigen. Ich gehe davon aus, daß das gemeinsame Vorgehen von Republikanern und Pro einen Sog entfalten wird, dem sich jene nicht entziehen werden, die jetzt noch alleine kämpfen.

Beisicht: Jan Timke ist zwar bisher erstaunlich erfolgreich gewesen – aber ich bitte Sie, wir sprechen da über derzeit einen einzigen Sitz in der Bremischen Bürgerschaft, errungen über das Sonderwahlgebiet Bremerhaven, und das hat weniger Einwohner als sie so manche Kölner Bezirksversammlung repräsentiert. Aber wir wünschen den „Bürgern in Wut“ ja aufrichtig viel Glück! Nur, wenn sie auch deutschlandweit etwas erreichen wollen, dann werden auch sie Partner brauchen.

Schlierer: Und was die DSU angeht, wissen wir Republikaner aus früheren Kooperationen und aus Gesprächen sehr gut, daß es durchaus Willen zur Zusammenarbeit gibt. Ich gehe davon aus, daß auch dort die Bereitschaft gewachsen ist, sich in ein neues Projekt einzubringen.

Beisicht: Immerhin hat der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Henry Nitzsche gerade den Verband Pro Sachsen gegründet, das wird hoffentlich auch die DSU in Bewegung bringen.

Schlierer: Für uns ist es wichtig, daß es mit unserem Schritt gelingt, ein Signal zu geben, das andere veranlaßt, politische Einsicht zu gewinnen und – wie wir – Liebgewordenes für die Sache aufzugeben.

Offiziell angekündigt haben Sie eine „Kooperation“. Um was genau geht es?

Beisicht: Pro wird die Republikaner im März in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz unterstützen und dort selbst zu deren Gunsten nicht antreten.

Schlierer: Die Republikaner werden dafür auf einen Antritt zur Abgeordnetenhauswahl in Berlin verzichten und statt dessen Pro Berlin unterstützen. Außerdem werden wir uns am „Marsch der Freiheit“ der Pro-Bewegung am 7. Mai in Köln und am 3. Antiislamisierungskongreß im August beteiligen.

Beisicht: Wir werden zusammen mit unseren Partnern in Europa, wie FPÖ oder Vlaams Belang, das geplante europaweite Volksbegehren gegen einen EU-Beitritt der Türkei organisieren ...

Schlierer: ... und gemeinsam mit diesen eine freiheitliche Plattform für die Europawahl 2014 bilden.

Wie weit soll Ihre Kooperation gehen?

Beisicht: Ziel ist es, den eingeleiteten Prozeß unumkehrbar zu machen.

Also eine Fusion?

Schlierer: Alle beteiligten Gruppen sollen schließlich in einer Organisation aufgehen. In welcher Schrittfolge genau, läßt sich jetzt noch nicht sagen. 

Bei einer Fusion kann jedes Amt nur einmal besetzt werden, also muß die Hälfte der jetzigen Funktionäre verzichten. Fürchten Sie da kein böses Blut, Herr Beisicht?

Beisicht: Nein, die Basis will ja eine gemeinsame künftige Entwicklung.

Herr Schlierer, Sie sind der Senior-Partner: Wären Sie denn tatsächlich bereit, zurückzustecken und etwa nur noch Vize unter Herrn Beisicht zu sein?

Schlierer: Die Frage ist eine Cura posterior, eine Frage, die nachrangig ist. Sie wird später entschieden werden, wenn die wichtigen Dinge getan sind.

Wären Sie denn bereit, auf den Traditionsnamen „Republikaner“ zu verzichten?

Schlierer: Auch diese Frage stellt sich jetzt nicht. Persönlich könnte ich mir aber sehr wohl vorstellen, daß die neue Gruppierung auch mit einem neuen Namen antritt.

Gerade hat die „Kooperation“ zwischen NPD und DVU mit der Liquidierung der DVU durch die NPD geendet. Droht nicht auch bei Ihnen möglicherweise ein Umschlagen der Zusammenarbeit in einen Machtkampf? Die Frage wäre dann: Wer liquidiert am Ende wen?

Beisicht: Darum geht es doch gar nicht! Wir müssen begreifen, daß wir auch in Deutschland endlich einen demokratischen Trend nach rechts in Gang bringen müssen. Deutschland kann sich in dieser Hinsicht seinen europäischen Sonderweg nicht mehr länger leisten. 

Schlierer: Ihr Vergleich macht deutlich, wie unterschiedlich die Situation ist. Im Falle der DVU handelte es sich doch um eine real kaum existierende Partei. Außerdem hatte die NPD von Anfang an versucht, sich die DVU einzuverleiben. Bei uns hat keiner eine solche Absicht, sondern hier suchen Partner auf Augenhöhe die Zusammenarbeit, um gemeinsam voranzukommen.

Man hat schon zu viele Kooperationsversprechen schließlich an Eitelkeiten scheitern sehen. Wie belastbar ist denn die Männerfreundschaft Beisicht-Schlierer wirklich?

Schlierer: Das ist so ein Gemeinplatz, daß Unternehmen dieser Art stets scheiterten, weil Häuptlinge mit anderen Häuptlingen nicht zusammenarbeiten könnten. Das läge zwar im Interesse unserer politischen Gegner, ist jedoch weder bei mir noch bei Herrn Beisicht der Fall. Wir sind ja beide schon lange genug im Geschäft.

Herr Beisicht?

Beisicht: Ich schließe mich an. Es geht nicht um Personen, sondern um die Sache. Und was die sich anbahnende „Männerfreundschaft“, wie Sie sagen, angeht: Ich glaube, die ist sehr belastbar.

Herr Schlierer, Sie sprachen von der Europawahl 2014. Was ist mit der Bundestagswahl 2013?

Schlierer: Wenn eine gemeinsame Partei bis 2013 möglich ist, um so besser! 

Das klingt eher beiläufig als entschlossen.

Schlierer: Keineswegs, die Idee einer gemeinsamen Plattform entstand über das neue Europawahlrecht für 2014. Aber parallel werden wir versuchen, das gleiche auf nationaler Ebene auch auf die Beine zu stellen – und das so schnell wie möglich.

Meine Herren, Pro NRW holte 2010 im Land 1,4 Prozent. Die Republikaner bei der letzten Bundestagswahl 0,4 Prozent. Auch zusammen sind Sie also noch unendlich weit von der Fünfprozenthürde entfernt.

Beisicht: Das Pro-Modell hat gezeigt, daß es möglich ist, auch unter schwierigen Bedingungen auf lokaler Ebene Erfolge um die fünf Prozent zu erzielen. Wenn wir dann noch Unterstützung aus dem europäischen Ausland gerade zur Europawahl bekommen, dann ist ein Neuanfang möglich.

Schlierer: Es war im Zuge der Sarrazin-Debatte in jeder Zeitung zu lesen, daß es ein großes Wählerpotential gibt, das auf eine seriöse bürgerliche Alternative wartet. Es geht also nicht darum, einfach die Ergebnisse der letzten Wahlen zu addieren, sondern darum, ein Aufbruchssignal zu geben, das zu einer Aktivierung von Wählern führt, die bisher weder den einen noch den anderen ihre Stimme gegeben haben. 

Dieses Potential existiert doch längst, warum ist es Ihnen denn bisher nicht gelungen, es zu aktivieren?

Schlierer: Gegenfrage: Bei welcher Wahl hätte das denn passieren sollen?

Das Potential gibt es ja nicht erst seit der Sarrazin-Debatte.

Schlierer: Ja, aber im letzten Jahr haben die Bürger zum erstenmal erlebt, daß es nicht mehr gelungen ist, solch einen Diskurs mit der „Faschismus-Keule“ totzuschlagen: Sarrazin konnte nicht mundtot gemacht werden! Ich glaube, die Sarrazin-Debatte stellt eine Zäsur dar, sie ist eine neue Erfahrung, die neue politische Entwicklungen möglich machen wird.

Beisicht: Ja, zweifellos gibt es einen Bewußtseinswandel in der Bevölkerung, der bei Wahlkämpfen angesprochen werden kann. Das wird natürlich nicht über Nacht kommen, aber es wird kommen.

 

Dr. Rolf Schlierer, ist Bundesvorsitzender der Republikaner. Der Rechtsanwalt, Arzt und Stadtrat in Stuttgart, Jahrgang 1955, war von 1992 bis 2001 Mitglied des Landtags von Baden-Württemberg und dort Fraktionsvorsitzender für seine Partei, deren Führung er 1994 übernommen hat. www.rep.de

 

Markus Beisicht, ist Vorsitzender der Bürgerbewegung Pro NRW. Der Rechtsanwalt und Stadtrat in Köln, Jahrgang 1963, war CDU-Mitglied, wechselte 1987 zu den Republikanern, 1991 zur Deutschen Liga für Volk und Heimat und gründete 1996 Pro Köln, 2007 zudem den Landesverband Pro NRW. www.pro-nrw.org

 

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