© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/11 11. Februar 2011

Spiellaune
Quartettkarten sind wieder Trumpf –von politisch-inkorrekt bis christlich-fromm
Christian Schwiesselmann

Porsche 911 schlägt Audi quattro. 215 PS mehr. Die Faszination, die von Kartenspielen ausgeht, werden vor allem Jungen kennen, die sich in der Schulpause mit Autoquartetten die Zeit vertrieben. Gerne wurde das Themenspektrum um Motorräder, Dragster, Panzer und Schiffe erweitert.   Quartettspiele sind aber nicht altbacken, sondern im Zeitalter der Videospiele wieder Trumpf. Sie eignen sich sogar zum politisch-inkorrekten Tabubruch, wie die Hamburger Firma „Weltquartett“ (www.weltquartett.de) beweist. Gerade hat sie ihr satirisches Sortiment deutlich ausgebaut. Neben dem Tyrannenquartett, das die übelsten Diktatoren dieser Welt abbildet (JF 28/10), bieten die Geschäftsführer Jürgen Kittel und Jörg Wagner nun Seuchen- und Rauschgift-Quartette feil. Auf die Idee kamen sie, nachdem Kittel einen Karton mit alten Quartetten auf dem Dachboden gefunden hatte und seinen Kompagnon zu einer Partie überzeugen konnte. Kittel: „Die technischen Details der alten Karten langweilten uns schnell.“ Bald war ihm klar: „Die Geißeln der Menschheit – das muß gemacht werden.“

Jüngstes Kind der sarkastischen Männer ist das Ungeziefer-Quartett: „Die fiesesten Schädlinge in Garten, Haus und Haar“ werden an bierernster Bissigkeit aber vom „Minderheitenquartett“ (www.minderheitenquartett.de) noch übertroffen. Der „politisch-semikorrekte Kartenspaß für die ganze Familie“ spielt – nach Herstellerangaben – „Juden, Nazis, Neger, Schwule“ gegeneinander aus. Die Idee der Satire-Zeitschrift Zeitschrift. Das Magazin umfaßt 24 Minderheiten aus den Gruppen Religion, Ethnien, Sexualität, Radikale, Behinderte und Demographie. Das Hauen und Stechen findet in den Kategorien Bildungsniveau, Wohlstand, Bevölkerungsanteil, Homogenität, gesellschaftliche Akzeptanz und Schamgefühl statt. Der ironisch gebrochene Werbetext liefert einige Spielorte mit: den CDU-Stammtisch, den Parteitag der Linken, die Wellness-Reise der FDP oder das Grillfest in der Nachbarschaft.

Nach so viel sündhafter Lästerung setzt das Bischofsquartett, das zum zehnjährigen Gründungsjubiläum von Domradio im Mai 2010 entwickelt wurde, einen christlich-frommen Kontrapunkt. Alle 27 katholischen Kirchen-oberhäupter Deutschlands und der Papst stellen die Bildmotive des Kartenspiels dar. Bischofswappen und Weihespruch ergänzen die geweihten Häupter. Statt PS-Zahlen wie im Autoquartett vergleichen die Spieler des Bischofsquartetts Bistumsdaten: Gründungsjahr, Fläche, Zahl der Gläubigen, Geburtstag des Bischofs, Tag der Weihe und Hausnummer. So erfährt man beispielsweise, daß der jüngste Bischof, Franz-Josef Overbeck, in Essen residiert und der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner dem nach der Seelenzahl größten Bistum vorsteht. Großes Bistum schlägt kleines und alter Bischof jüngeren – ganz ohne Diskriminierung geht es scheinbar auch bei den Katholiken nicht ab.

Hintersinn des kirchlichen Kartenspiels ist aber nicht die Ironisierung gesellschaftlicher Tabuzonen, sondern die Wissensvermittlung. Dominik Schwaderlapp, Generalvikar des Erzbistums Köln, lobt: „So können sich alle ganz spielerisch Kirchenwissen aneignen.“ Mittlerweile hat Domradio das Kartenspiel aktualisiert. Es gibt eine Joker-Karte mit dem Mini-Bistum Görlitz und eine Online-Variante. Hier kann nicht nur der glaubensfeste Katholik das deutsche Bodenpersonal der göttlichen Heilsgemeinschaft miteinander vergleichen.

 www.domradio.de

Foto: Bischofs- oder Minderheitenkarte: Quartettspiele basieren auf einem Überbietungswettbewerb

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