© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/11 11. Februar 2011

Logik statt Blutrünstigkeit
Chestertons Geschichten um Basil Grant
Georg Alois Oblinger

Wer mit dem Zug fährt, hat viel Zeit zum Lesen. Gilbert Keith Chesterton (1874–1936), ein passionierter Zugreisender, stopfte sich meist billige Kriminalromane in die Manteltasche. Aus dem Krimileser wurde dann selbst ein Krimiautor, der mit seinem Priesterdetektiv Father Brown ab 1910 Weltruhm erlangte. In einer seiner Father-Brown-Geschichten schreibt er: „Jedes noch so ausgeklügelte Verbrechen baut letzten Endes auf irgendeiner ganz einfachen Tatsache auf, die in sich selbst gar nicht geheimnisvoll ist. Das Geheimnisvolle kommt aus der Maskierung, die die Gedanken des Zuschauers von der Tatsache ablenken.“

Für Chestertons Father Brown, der Religiosität mit logischem Denkvermögen verbindet, diente Monsignore John O’Connor als Vorbild. Doch bereits in einer früheren Sammlung von Detektivgeschichten taucht eine Person auf, die dem späteren Father Brown recht ähnlich ist. Es ist der Amateurdetektiv und pensionierte Richter Basil Grant in der 1904 erschienenen Sammlung „The Club of Queer Trades“. Diese Erzählungen, die 1920 erstmals auf deutsch erschienen sind („Der geheimnisvolle Klub“), liegen jetzt in neuer Übersetzung vor mit dem Titel „Der Club der bizarren Berufe“.

Es sind sechs selbständige Erzählungen, deren letzte allerdings sämtliche Hauptpersonen der vorangegangenen noch einmal auftreten läßt und eine Erklärung bietet, warum Basil Grant auch die anderen „Fälle“ so schnell lösen konnte. Der Ich-Erzähler Swinburne steht meist staunend daneben, während Basils Bruder Rupert, von Beruf Privatdetektiv, regelmäßig die falsche Fährte verfolgt. In jeder Geschichte ist das, was zunächst skurril anmutet und den Verdacht eines Verbrechens aufkommen läßt, ganz natürlich erklärbar. Insofern sind es Geschichten, die das krasse Gegenstück zu heute beliebten Thrillern darstellen. Lesern, die das Blutrünstige lieben, muß abgeraten werden; wer allerdings von Detektivgeschichten in erster Linie Spannung und logische Schlußfolgerung erwartet, kann getrost zugreifen. Dafür bürgt schon der Name Chesterton. Bertolt Brecht schrieb 1921: „Ich habe G .K. Chestertons Detektivgeschichten in die Hände bekommen. Ich habe keine besseren gelesen. Hier löst tatsächlich der Verstand die Aufgabe.“

Gilbert Keith Chesterton: Der Club der bizarren Berufe. Londoner Erzählungen. Elsinor Verlag, Coesfeld 2010, broschiert,160 Seiten, 14,80 Euro

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