© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/11 11. Februar 2011

Gruß aus London
Dem Nachbarn auf der Spur
Derek Turner

Ab 1. Februar wollte das britische Innenministerium den Bürgern ein neues Internetportal zur Verfügung stellen, auf dem sie die Kriminalitätsstatistiken nach Postleitzahlen aufgeschlüsselt einsehen können. „Crime maps“ zeigen die Häufigkeit von polizeilich gemeldeten Straftaten aus sechs verschiedenen Kategorien an.

Mit bis zu 18 Millionen Aufrufsversuchen pro Stunde stürzte die Seite www.police.co.uk schon am Tag ihrer Inbetriebnahme ab. Damit war sie das mit Abstand populärste Regierungsportal aller Zeiten. Kolumnistin Harriet Sergeant applaudierte in der Daily Mail: „Hurra für eine Internetseite, die wir tatsächlich wollen!“ Ihr Kollege Harry Phibbs fügte hinzu, der erste Schritt zur Aufklärung eines Verbrechens sei seine Aufdeckung.

Dem Einwand, die Karten hätten negative Auswirkungen auf die Immobilienpreise, hielt Phibbs entgegen: „Sollte etwas so Entscheidendes wie der Wert eines Hauses etwa nicht durch vollständige und akkurate Informationen bestimmt werden?“ Zudem könnten andere Immobilien durchaus an Wert gewinnen, wenn die Karten zeigen, daß ein Stadtteil zu Unrecht als Verbrechenshochburg verschrien ist. Und die Bewohner der gefährlichsten Gebiete würden letztlich von einer verstärkten Polizeipräsenz profitieren.

Auf der Linken hielt sich die Begeisterung in Grenzen. Der Guardian erschien mit der Schlagzeile: „Kritik von Bauunternehmern: Karten sind ‘schlimmer als nutzlos’“ und ritt auf kleinen Fehlern und Abweichungen in der Statistik herum. Dennoch kommt man nicht um das Eingeständnis herum: „Aus US-amerikanischen Städten sind keine Negativ-Auswirkungen der detaillierten kartographischen Erfassung von Kriminalitätsstatistiken bekannt.“

Die Sorge der Genossen Journalisten, daß die Karten zur Rechtfertigung von Diskriminierung mißbraucht werden könnten, nimmt nicht wunder angesichts einer anderen Statistik: Laut Bilanz der Londoner Kriminalpolizei für 2009/10 waren 54 Prozent aller Angeklagten in punkto Straßenkriminalität farbige Männer (59 Prozent bei Raubüberfällen, 67 Prozent bei Schußwaffenmißbrauch). Dabei sind nur 12 Prozent aller Londoner schwarz. Aber bis diese Zahlen der Öffentlichkeit per Mausklick zugänglich gemacht werden, können die Briten wohl noch lange warten.

 

Derek Turner ist Herausgeber der britischen Zeitschrift „Quarterly Review“, www.quarterly-review.org

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