© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  07/11 11. Februar 2011

Deutsche Doppelmoral
Diskussion um Ungarns Mediengesetz: Ungarische Politiker kontern linksliberale Polemik mit Fakten und Ironie
Christian Dorn

Es war der erwartete hitzige Abend. Ungarns Mediengesetz ist in aller Munde und läßt das linksliberale Milieu erschaudern. Deutlich wurde dies auf einer Podiumsdiskussion, zu der das Collegium Hungaricum Berlin geladen hatte. Sie war schon insofern interessant, als es bislang kaum eine öffentliche und direkte Auseinandersetzung der Kontrahenten gab. Neben Gergely Prőhle, dem stellvertretenden Staatssekretär im ungarischen Außenministerium und András Koltay, Mitglied des Medienrats der Medienbehörde, debattierte der für seine Polemik berüchtigte Michael Frank, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung.

Frank ging sogleich in die vollen und stellte die „konsequente Machtkonzentrationspolitik“ der mit Zweidrittelmehrheit gewählten Orbán-Regierung unverblümt in die Tradition totalitärer Politiksysteme. Die hehren Begriffe des Gesetzes seien in Wirklichkeit Gummiparagraphen. Ergebnis dessen seien „Fallstricke“, „Scheiterhaufen“ und „Hexenverbrennung“.

Koltay widersprach und verwies zugleich auf eine bewährte Rechtspraxis, auf der nicht zuletzt das neue Mediengesetz Ungarns aufbaue. Den Vorwurf hinsichtlich der „Ausgewogenheit“ in der Berichterstattung interpretierte er als die Verpflichtung für Nachrichtensendungen, sämtliche politischen Lager widerzuspiegeln. Zudem betonte er die Unabhängigkeit des Medienrates: Seine Mitglieder seien nicht weisungsgebunden. Dieses sei mithin verfassungskonform – schließlich sei dieser Punkt von der EU-Kommission auch nicht gerügt worden. Außerdem, anders als etwa in Deutschland, seien nach seiner Kenntnis sämtliche Mitglieder des Medienrates ohne Parteibuch.

Gergely Prőhle indes blieb es überlassen, der Polemik Paroli zu bieten. Franks Hinweise hinsichtich der Fremdenfeindlichkeit bezeichnete er als „absurd“. Schließlich sei die Romafeindlichkeit gerade unter der liberal-sozialen Regierung gestiegen. Weiter lobte er den ungarischen Antwortbrief an die EU-Kommissarin Neelie Kroes, in dem zugesagt wurde, daß das Gesetz allen europäischen Maßstäben genügen werde, da man gegebenenfalls entsprechende Änderungen veranlassen werde. Für ihn sei damit alles zu dem Thema gesagt. Prőhle fordert dazu auf, die „EU als vertrauenswürdige Instanz zu akzeptieren“. Denn: „Mit wem sollten wir denn sonst noch darüber diskutieren?“ Zugleich sprach er die hiesige Doppelmoral an, indem er auf den ausscheidenden saarlandischen Ministerpräsidenten Peter Müller zu sprechen kam, der an das Bundesverfassungsgericht wechseln will. Anscheinend sei dies nicht so skandalös. Mit Blick auf den Ankläger Frank, der Orbán eine „Terminatormentalität“ attestierte, blieb Prőhle keine Antwort schuldig: „Die Menschheit hat nur die einzige Hoffnung, und das sind Sie!“

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