© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  06/11 04. Februar 2011

Haltungsnote
Diskriminierungsopfer
Christian Schwiesselmann

Die Erosion des Konservativen in der CDU hat einen neuen Namen bekommen: Brigitte Kreisinger. Die ehrenamtliche Stadträtin von Ebersbach an der Fils – zwischen Stuttgart und Göppingen gelegen – gehört der Union an und hat sich laut der Südwestpresse darüber echauffiert, daß ihr der Sozialdemokrat Hans-Peter Goblirsch während einer Ausschußsitzung in der Sache beisprang. Und zwar mit den Worten: „Ich kann den Unmut der konservativen Kollegen gut verstehen.“ Das brachte die mutmaßlich „konservative Kollegin“ auf die Palme. Die Multifunktionärin der Merkel-Partei, die zugleich dem Stadtverband vorsteht und die Fraktion der Partei im Kommunalparlament anführt, giftete den SPD-Genossen für dessen gutwilligen rhetorischen Schulterklopfer an: „Herr Goblirsch, Sie haben gegen das AGG verstoßen! Ich bin zwar Ihre Kollegin, aber nicht konservativ.“

Das AGG – die Abkürzung steht für Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz oder kurz auch Antidiskriminierungsgesetz – war dem ehrbaren schwäbischen Magistrat der idyllischen 16.000-Einwohner-Stadt wohl noch nicht untergekommen. Jedenfalls ließ Bürgermeister Sepp Vogler erst einmal die Verwaltung prüfen, ob ein solcher Gesetzesverstoß vorliegt.

Kreisingers Auffassung von Diskriminierung ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert: Zum ersten, daß die egalitaristische Waffe des Antidiskriminierungsgesetzes von Kreisinger eingesetzt wird, obwohl ihr als Privatunternehmerin bei Neueinstellungen selbst ein Gesetzesverstoß drohen könnte. Zum zweiten, daß Konservatismus nicht nur im Adenauer-Haus ein unliebsamer Begriff geworden ist – anders als einige blauäugig glauben. Der „christliche Wertekompaß“, über den Unionspolitiker gern schwadronieren, versagt auch an der Basis, weil sich das gesellschaftliche Magnetfeld verschoben hat.

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